Opposition im Alltagstest

Die Linkspartei in Schleswig-Holstein hat die Kinderkrankheiten überwunden

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Grabenkämpfer sind gegangen, der Landessprecher ist zurück: Nun fehlt der Linkspartei im Norden nur noch ein Programm. Das soll im Herbst beschlossen werden, ein Parteitag in Neumünster leistete am Wochenende die Vorarbeit.

Wer nur ein wenig zurückblättert im Pressespiegel der Landespartei, findet all diese deprimierenden Geschichten: Angefochtene Delegiertenwahlen, »bürgerliche Gerichtsverfahren«, die selbst gegen Bundes-Schiedssprüche angedroht wurden, fragwürdige »Stalinismus«-Vorwürfe, gar kompromittierende Privatfotos, die Journalisten zugespielt wurden. Vorletzter Höhepunkt war die Wahl der Landtagsliste für den 27. September, als der erst kurz zuvor nach einer Anfechtung bestätigte Landessprecher Björn Radke durchfiel und ankündigte, sein Amt ruhen zu lassen. Der Gipfel aber war drei Tage vor der Wahl erreicht, als es zu einem »Massenaustritt« Unzufriedener um den sogenannten »Neumünsteraner Kreis« kam.

Seither ist die Presse der Linkspartei im hohen Norden deutlich besser: Dass etwa Niedersachsens Schlapphüte die Sprecherin der Landtagsfraktion ihres Parteibuchs wegen nicht einbürgern wollen, empört viele – auch, weil Jannine Menger-Hamilton im Norden längst eingebürgert wäre: Die LINKE steht hier nicht auf dem Index. Einen Achtungserfolg erzielte Fraktionschef Heinz-Werner Jezewski mit seinem Beharren auf Stimmen-Nachzählungen, durch die am Ende die FDP ein Mandat verlor und die Linkspartei eins gewann. Auch die Klage gegen die Mandatsverteilung im Landtag, wo Schwarz-Gelb trotz eines geringeren Zweitstimmenanteils eine Mehrheit hat, wird im Land nicht ohne Wohlwollen verfolgt.

Auch an der Parteispitze herrscht wieder Ruhe: Nach dem Austritt der härtesten Grabenkämpfer, einer Denkpause und einer Viruserkrankung hat Björn Radke sein Amt im Herbst wieder aufgenommen. »Die alten Geschichten spielen keine Rolle mehr, wir sind in der Realität angekommen«, kann er nun entspannt am Rande eines Landesparteitags erzählen.

Die Nord-Linke muss nun Alltagsfragen beantworten: Auf der Landesebene sieht Radke eine Priorität beim neuen Sparkassengesetz und seiner »Hintertür zur Privatisierung«. In der Fraktion ging es zuletzt um die Landestheater, die Jagdzeitverordnung, den Stellenabbau bei der Polizei, den HSH-Nordbank-Ausschuss und um den womöglich unstatthaften Einsatz von Aushilfslehrkräften der Volkshochschulen an Schulen in Bad Segeberg. Und der Parteitag beschloss nun einen »inhaltlichen Korridor«.

»Die LINKE in Schleswig-Holstein als Teil der gesellschaftlichen Opposition« hieß der Leitantrag, der im Herbst zum Programm wachsen soll. Ausgangspunkt ist die »verfestigte« Spaltung im Land: »9,6 Prozent der Bevölkerung sind gegenwärtig auf Sozialleistungen angewiesen« – auch fast 49 000 »Aufstocker« und gut 27 000 Rentner mit Grundsicherungsleistungen, 66 500 Kinder lebten in Armut. Davon ausgehend fordert die Partei, dass Defizite weiterhin »unter anderem über Kredite« finanziert werden können: »Aus der Krise kann man sich nicht heraussparen.« Entwickelt werden soll ein großes Landes-Investitionsprogramm.

Agieren will man nicht aus der Regierung: Zwar wurde aus dem Leitantrag die Passage gestrichen, unter den jetzigen Bedingungen »nur Opposition« zu sein. Doch betreffe die Änderung nur die »Mitgestaltung aus der Opposition«, wie sie etwa in Lübeck mit wechselnden Mehrheiten an der Tagesordnung ist, so Radke. Sein Presse-Statement zum Parteitagsauftakt jedenfalls gefiel den Delegierten: »So lange die desaströsen Finanzverhältnisse im Land sind, wie sie sind, ist die LINKE gut beraten, Opposition zu machen.« Nur, damit es keine Unklarheiten gibt.

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