Marskanäle durch Lava entstanden

Forschergruppe der NASA löst Rätsel der Planetenastronomie

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Sommer 1877 machte der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli (1835-1910) eine merkwürdige Entdeckung: Als er sein Fernrohr auf den Mars richtete, stellte er dort eine Vielzahl von schmalen, dunklen Linien fest. Zunächst hielt er diese für natürlich entstandene Wasserwege. Später vertrat er die Auffassung, dass die Kanäle von intelligenten Marsbewohnern angelegt worden seien, um das Wasser der Polkappen in die Wüsten des Planeten zu leiten.

Beides gilt inzwischen als widerlegt. Die von Schiaparelli beobachteten Marskanäle entstanden entweder durch optische Täuschung oder stellten Canyons und Abstufungen im Gelände dar. Gleichwohl haben Astronomen auf der Oberfläche des Roten Planeten zahlreiche markante geologische Strukturen entdeckt, die bis heute die Fantasie vieler Menschen beflügeln. Dazu gehört auch ein rund 270 Kilometer langer Kanal, der sich in der Nähe des Vulkans Ascraeus Mons befindet und auf den ersten Blick wie ein Flussbett anmutet. Die Flüssigkeit, die diesen Kanal vermutlich geformt hat, ist natürlich seit Langem verschwunden. Umso mehr sind Wissenschaftler versucht anzunehmen, dass in manchen Marskanälen früher Wasser strömte, in dem sich sogar einfache Lebensformen entwickelt haben könnten.

Eine Forschergruppe um Jacob Bleacher vom NASA-»Goddard Space Flight Center« hält von solchen Spekulationen wenig: »Obwohl das kanalähnliche Gebilde wie ein natürlicher Fluss mäandriert und sich vorübergehend in mehrere Arme aufspaltet, dürfte es letztlich auf Lava zurückgehen.«

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler hochauflösende Bilder mehrerer Marssonden analysiert und dabei herausgefunden, dass der Kanal an einem kleinen Berggrat entspringt und nur auf den ersten 170 Kilometern typische Flusseigenschaften zeigt. Danach ändert er seinen Charakter und ist in flacherem Gelände teilweise »überdacht« wie eine Lavaröhre. Andere Stellen sehen aus, als sei Lava hier direkt durch die Oberfläche gebrochen. »Derartige Merkmale bilden sich nicht in Wasserkanälen«, erklärt Bleacher, der es zudem für sehr unwahrscheinlich hält, dass der Kanal am Anfang von fließendem Wasser und danach von strömender Lava geformt wurde. »Es deutet vieles darauf hin, dass der gesamte Verlauf des Kanals auf Lavaströme zurückgeht.«

Gestützt wird diese These durch die Untersuchung eines rund 50 Kilometer langen Lava-Kanals auf Hawaii, der ebenfalls so aussieht, als sei er durch die Kraft des Wassers geformt worden.

Ungeachtet dessen wollen die NASA-Forscher nicht ausschließen, dass es früher fließendes Wasser auf dem Mars gab. Sie warnen nur vor übereilten Schlussfolgerungen bei der Deutung planetarischer Strukturen. »Eines habe ich bei alldem gelernt«, resümiert Bleacher: »Man unterschätze in der Geologie niemals das Fließverhalten von flüssigem Gestein.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal