Findlinge und Wolfsspuren

Träume der Lausitz von Bernhard Sallmann

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die externen Kosten des Bergbaus sind hoch, auch beim Tagebau. Wie hoch, für Mensch und Landschaft, das hat sich Bernhard Sallmann in der Lausitz angesehen, einem Landstrich, der Schritt für mühsamen Schritt zurück ins blühende Leben gepflegt werden muss wie ein gefährdeter Patient. Zum dritten Mal schon hat sich Sallmann in der Lausitz umgetan, hat nach »Lausitz 20 x 90« und »400 Kilometer Brandenburg« einen dritten Film in einer Region gedreht, von der es vor Ort heißt, Gott habe die Lausitz geschaffen und der Teufel die Kohle unter ihr vergraben.

»Träume der Lausitz« ist ein neudeutscher Heimatfilm geworden, eine Kulturgeschichte der Renaturierung einer postindustriellen (Rest-)Landschaft, die eigentlich wieder Rekultivierung ist. Sallmann und sein Kameramann Börres Weiffenbach filmten Tagebaurestlöcher und Sanddünen, die neuen Seen und die alten Dörfer, avantgardistische schwimmende Häuser im See, die unter der Säurehaltigkeit des Wassers leiden, und Plattenbausiedlungen, die für die Belegschaft der Bergbaubetriebe hochgezogen wurden und nun wieder »zurückgebaut« werden. Sie filmten Baumschulen und stillgelegte Förderbrücken, Taucher im künstlichen See, die dort anscheinend bereits etwas zu ertauchen finden, und Sandstürme über Böden, deren Fruchtbarkeit von Menschenhand zerstört wurde.

Und sie trafen Menschen. Fünf engagierte Lausitzer im Besonderen, die auf ihre je verschiedene Weise für die Hoffnung stehen, aus der neugestalteten Lausitz könne einmal wieder eine Landschaft werden, in der Mensch und Natur miteinander auskommen. Die anderen filmte Sallmannn auch, die Hydrotechniker der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, die Stiftungsvertreter und Archivare, die von Berufs wegen mit der Neugestaltung der Bergbaubrache beschäftigt sind. Und hielt sich am Ende lieber an Enthusiasten und Landschaftspraktiker.

An Wolfsspurleser Stephan Kaasche, der seinen mobilen Hochsitz zwischen Tannen spannt, um nächtens zu beobachten, was sich da wieder bewegt auf den Lausitzer Fluren. An Helmut Rippl, der Stadtplaner war und jetzt Kunstwerke aus Findlingen baut, wenn er nicht gerade Regisseur und Kameramann anweist, wie und wo das nächste gute Bild zu finden sei. An Bauer Johannes Kapelle, der auf kargen Böden dem Beruf nachgeht, den Sallmanns Onkel in Österreich unter besseren Bedingungen ausübt. An Rolf Kuhn, den Leiter der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land. Oder auch an Wolfgang Fietze, einst Bergbauingenieur, heute arbeitslos, der sich per Funk mit anderen austauscht, denen es genauso geht, und im schrumpfenden Hoyerswerda eine ähnliche Erfahrung von Heimatverlust erlebt wie diejenigen, deren Dörfer einst dem Vormarsch des Braunkohleabbaus weichen mussten.

Landflucht ist allgegenwärtig, mit den Arbeitsplätzen gehen der Gegend auch die jungen Leute aus. Aber ob das Jet-Ski- und Quad-Fahren die Lösung ist? Ihr Motorengeheul liegt über der stillen Landschaft wie ein neuer Fremdkörper. Dass die Wieder- und Neuerschaffung der Landschaft ein langwieriger Prozess sein wird, beweist schon die Dauer von zehn Jahren, auf die die Bauausstellung angelegt war. Auch gegen Ende dieser Dekade – gedreht wurde im Frühjahr und Frühsommer 2009 – ist sie sichtlich noch sehr im Werden, die anvisierte Zukunft.

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