Amtliche Vertuschung

Wie die Gesundheitsbürokratie das Informationsfreiheitsgesetz missachtet

  • Eckart Roloff
  • Lesedauer: 3 Min.
»Wie gut ist die Pflege?«, »Kopien kriegen Sie nicht«, »Wir sind keine Behörde« – für einen amtlichen Rapport sind das ungewöhnliche Überschriften. Doch so stehen sie im 2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit, den Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, kürzlich veröffentlichte.

Was der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht schreibt, verdient nähere Betrachtung. Es geht um seinen zähen Kampf gegen die Strategie von Behörden aller Art, keine Akten herauszugeben. Es geht um Ausweichmanöver und Verzögerungstaktik. Dabei gilt seit dem 1. Januar 2006 bundesweit das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das es im Grundsatz jedermann erlaubt, Einblick in amtliche Unterlagen zu nehmen und davon Kopien zu bekommen.

Mit welcher Bandbreite sich viele Behörden dagegen stemmen, belegen zum Beispiel die Vorgänge, die Schaar im Kapitel über das Gesundheitswesen aufdeckt. Da wollte jemand etwas zu den Daten wissen, die die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung bei ihren Qualitätsprüfungen in Altenheimen sammeln. Das wurde unter anderem mit dem Argument abgewehrt, diese Datensätze seien »als solche nicht selbsterklärend zu lesen« – für Schaar keinerlei Grund, die Herausgabe zu verweigern. In einem anderen Fall beantragte ein Mann, Näheres zur Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) zu erfahren. Das Gesundheitsministerium wehrte sich, obgleich die GOÄ eine zentrale und keineswegs geheime Regelung zu Arzthonoraren ist. Monatelang ging es hin und her. Dann schien das Ministerium nachzugeben. Doch sollte der Mann die Unterlagen weder kopieren noch öffentlich verwenden. Als er das ablehnte, bekam er keine Akten. Schaar nennt das »äußerst bedenklich«.

Ein dritter Fall: Jemand wollte den Organisationsplan dieses Ministeriums erhalten. Lange blieb er ohne Antwort. Erst nach über sechs Monaten kam der Bescheid, dass er den Plan bekomme, sogar in der aktuellen Version. Dazu Schaar: Bei allem Verständnis »konnte ich eine derart lange Bearbeitungszeit nicht hinnehmen«. Im Übrigen sagt das IFG, dass der Plan im Internet zugänglich sein muss. Das Ministerium ließ sich damit viel Zeit.

Eine Kontroverse gab es auch dazu, ob der im Gesundheitswesen äußerst wichtige Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen (G-BA), eine Behörde ist oder nicht. Davon hängt ab, ob das IFG gilt. Viele Stellen wehren sich dagegen. Nach intensiver juristischer Debatte gab der G-BA seine Verweigerung auf. Dafür gab es Streit über andere Themen. In mindestens einem Fall landete die Sache vor Gericht. Sie ist immer noch ungeklärt.

Generell ist festzuhalten, dass dieses Gesetz trotz mancher Mängel ein erheblicher Fortschritt ist; es bietet viel Transparenz und erweitert die Auskunftspflicht, die Behörden bisher gegenüber Medien hatten, auf die Allgemeinheit. In über 50 Staaten, darunter den USA, Kanada und in Skandinavien, gilt das schon seit Jahren. In Deutschland hat die Obrigkeit immer noch Probleme, mit Informationen offen umzugehen. Sie zieht sich gern auf den Datenschutz zurück oder findet andere Gründe für ihre Auskunftsverweigerung, auch wenn sie nach dem IFG gar nicht zutreffen. Dabei muss Peter Schaar hartnäckig bleiben; erzwingen kann er kaum etwas. Überdies hat sein Referat, das für diese Themen zuständig ist, gerade einmal vier Stellen.

Der Bericht hat 112 Seiten. Er ist im Internet nachzulesen unter www.bfdi.bund.de. Man kann ihn unter poststelle@bfdi.bund.de auch anfordern.

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