Drahtseilakt

Standpunkt von Wolfgang Hübner

Gemessen am monatelangen Eiertanz um die Machtkonstellation in Nordrhein-Westfalen ging gestern alles erstaunlich glatt: Zweimal bekam Hannelore Kraft bei der Wahl zur Ministerpräsidentin die volle Stimmenzahl von Rot-Grün, und die LINKE spielte mit. Keine Intrige, keine Abweichler.

Damit ist – zumindest vorerst – eine Politakrobatik gelungen, die vor allem SPD und Grünen höchste Gelenkigkeit abverlangte. Man hat die hessische Lektion gelernt. Doch leichter wird es nun nicht. Krafts Hoffnung auf »gute Kompromisse« nach allen Seiten ist Augenwischerei. Denn CDU und FDP haben derzeit nicht das geringste Interesse an einem Entgegenkommen. Im Gegenteil, schon aus bundespolitischer Sicht wollen sie, dass der rot-grüne Minderheitsversuch scheitert. Und zwar so scheitert, dass bald wieder eine schwarz-gelbe Mehrheit folgt.

Die LINKE wird in jedem Fall neu abzuwägen haben, wie weit Kompromisse gehen dürfen und wie hoch der Preis einer Verweigerung gegen Rot-Grün wäre. Auch das: ein Drahtseilakt, zumal für Parlamentsneulinge. Hannelore Kraft muss, wenn sie das Projekt Minderheitsregierung als politische Chance und nicht nur als Sprungbrett für den nächsten Wahlkampf versteht, der LINKEN entgegenkommen. Deren Unterstützung braucht sie, nicht nur bei der gestrigen Wahl. Insofern hätte am Ende ihres Amtseides die Formel »So wahr mir die LINKE helfe« besser gepasst. Denn Gottes Stimme zählt nicht im Plenarsaal.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal