USA nutzten auch Stützpunkte in Turkmenistan

Sechs Jahre lang soll Washington Nachschub für den Krieg in Afghanistan im Reich des Turkmenbaschi umgeschlagen haben

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Mindestens sechs Jahre lang sollen die USA im zentralasiatischen Turkmenistan nichtmilitärische Güter für ihre »Anti-Terror-Operation« in Afghanistan umgeschlagen haben. Das meldet die Online-Agentur EurasiaNet, die dem Multimilliardär George Soros nahesteht.
Flughafen Bagram in Afghanistan: Eine US-amerikanische Transportmaschine wird für einen Versorgungsflug präpariert.  Foto:  AFP/Schoonakker
Flughafen Bagram in Afghanistan: Eine US-amerikanische Transportmaschine wird für einen Versorgungsflug präpariert. Foto: AFP/Schoonakker

Die Meldung offenbart ein weiteres Mal den Widerspruch zwischen dem vorgeblichem Anspruch und der Realität US-amerikanischer Politik. Denn Turkmenistan gilt unter den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken als die härteste Diktatur. Für die Nutzung turkmenischer Basen soll sich Washington mit Hilfen bei der Sicherung der Grenzen des Landes zu Iran und Afghanistan und Unterstützung bei der Ausbildung des dafür benötigten Personals revanchiert haben. Außerdem seien Zahlungen in Millionenhöhe nach Aschchabad (Aschgabat) geflossen. Wie viel genau, das konnte oder wollte das Pentagon der Agentur EurasiaNet auf deren Anfrage hin nicht sagen. Bestätigt wurde dort indes, dass die Zahlungen über die Deutsche Bank abgewickelt wurden. Der letzte Betrag soll demzufolge im September 2008 überwiesen worden sein.

Die Deutsche Bank war schon Ende 2006 nach dem überraschenden Tod des turkmenischen Präsidenten Saparmurad Nijasow in die Schlagzeilen geraten. Nijasow, auch bekannt als Turkmenbaschi – Führer aller Turkmenen – soll, wie damals gleich mehrere westliche Nachrichtenmagazine berichteten, den Löwenanteil staatlicher Einnahmen »privatisiert« und bei der Deutschen Bank auf einem Konto geparkt haben, auf das nur Mitglieder seiner Familie Zugriff haben. Die Rede war von insgesamt rund drei Milliarden Dollar.

Ähnlich peinlich wie den Deutschbankern damals sind die neuesten Enthüllungen jetzt dem Pentagon. Wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen und anderer Demokratiedefizite beschränkte die Regierung unter George W. Bush ihre Kontakte zu dem zentralasiatischen Staat offiziell auf das absolute Mindestmaß. Bis heute ist Washington in Aschchabad nicht durch einen Botschafter, sondern nur durch einen Geschäftsträger vertreten. Mehr noch: Die USA hatten ihre NATO-Verbündeten – allen voran die Bundesrepublik – indirekt, aber unmissverständlich dafür gerüffelt, dass sich Berlin bereitfand, für das Recht zur Nutzung der Luftwaffenbasis Termez im benachbarten Usbekistan das gestörte Verhältnis zur Demokratie zu übersehen, das dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow vorgeworfen wird. Dabei nehmen sich einschlägige Verfehlungen Karimows im Vergleich zu den Untaten des Turkmenbaschi geradezu geringfügig aus. Auch Nijasows Nachfolger Gurbanguly Berdymuchamedow konnte sich in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit bisher nur zu kosmetischen Korrekturen aufraffen. Doch das blendeten die Bush-Krieger bewusst aus. Dem Usbeken Karimow konnten sie offenbar weder vergessen noch verzeihen, dass er den USA 2005 auf Druck Russlands die Nutzungsrechte für die usbekische Luftwaffenbasis Chanabad – die größte und modernste der Republik – gekündigt hatte.

Vor allem nach diesem Rauswurf erreichten die über Turkmenistan abgewickelten Flüge für den Afghanistan-Nachschub ein rekordverdächtiges Niveau. Abgewickelt wurden sie gleich an drei Standorten: auf einem Militärflugplatz im Südosten nahe der Grenze zu Afghanistan, auf der Luftwaffenbasis Mary und auf dem Flughafen der Hauptstadt Aschchabad. Allein dort sollen monatlich bis zu 58 Maschinen gestartet sein. Neben schweren Transportern mit Treibstoff soll es sich dabei auch um Maschinen gehandelt haben, die von der CIA für den geheimen Transport von Terrorismusverdächtigen in das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo gechartert worden waren.

Damit aber war womöglich sogar für Aschchabad die Schmerzgrenze überschritten. Die turkmenische Regierung, die offiziell stets strikte Neutralität verkündet hatte, habe die Zusammenarbeit mit den USA im Sommer 2008 gekündigt, schreibt EurasiaNet unter Berufung auf informierte Kreise in Washington. Begründet wurde dies mit der Verletzung von Regelungen für die Nutzung des turkmenischen Luftraums.

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