Keinem soll es schlechter gehen?

Unmut in der Linkspartei über Selbstalimentierung an der Parteispitze

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Linkspartei wird die Debatte über die Gehälter ihres Führungspersonals nicht los. Die auf Themensuche befindlichen Medien halten sie am Leben. Vor allem aber ist Unmut in Teilen der Basis bis ins Berliner Karl-Liebknecht-Haus vernehmbar.
Ansprüche und Gewohnheiten – ein Ost-West-Problem?
Ansprüche und Gewohnheiten – ein Ost-West-Problem?

Am Montag ist dem Bundesvorstand der LINKEN zum Thema Klaus Ernst nichts Erlösendes eingefallen. Vor der Presse versuchte die Kovorsitzende Gesine Lötzsch ihren Genossen mit dem Hinweis zu schützen, es gebe keinen Grund zu Solidaritätserklärungen. Der Vorstand selbst habe ja am 4. Juli beschlossen, dass die Arbeit der Vorsitzenden, der beiden Bundesgeschäftsführer und der Parteibildungsbeauftragten als hauptamtliche Tätigkeit festgeschrieben wird. Lötzsch selbst hatte auf ein Gehalt verzichtet – genauso wie die Parteibildungsbeauftragte Halina Wawzyniak und Schatzmeister Raju Sharma. Sie wolle keinen Arbeitsvertrag mit der Partei abschließen, begründete Lötzsch am Montag, weil sie schon einen habe. Ihr Vertrag mit der Berliner Humboldt-Universität ruht in den Jahren ihrer Abgeordnetentätigkeit.

Sie selbst übt das Amt der Vorsitzenden also ehrenamtlich aus, während Klaus Ernst die gleiche Sache hauptamtlich macht und dafür 3500 Euro zu seinen Abgeordnetendiäten im Bundestag sowie einer Zulage als Mitglied des Fraktionsvorstandes erhält – zusammen rund 13 000 Euro. Die Bundesgeschäftsführer erhalten für ihre Vorstandsarbeit 1913, der Parteibildungsbeauftragte Ulrich Maurer 750 Euro. Die Regelung zur Vergütung durch die Partei sei aus der letzten Legislatur übernommen, erläuterte Lötzsch, da gab es auch einen Vorsitzenden, der ein Gehalt bezog, Lothar Bisky, und einen, Oskar Lafontaine, der die Tätigkeit ehrenamtlich ausübte. Lafontaine war zu dieser Zeit gleichzeitig Fraktionschef im Bundestag

Teilen der Basis scheint diese Anschlusslogik nicht logisch genug. Der Landesrat der sächsischen LINKEN etwa weist das Argument zurück, Vorstandsmitglieder dürften nicht schlechter gestellt sein als die Amtsinhaber der Bundestagsfraktion. »Sollen wir annehmen«, fragte der Landesrat in einem Brief, »dass die Genossinnen und Genossen in Spitzenfunktionen eine Neiddebatte führen und sich dabei an den Bestverdienenden orientieren?« Die Partei sei öffentlich die der sozial Schwachen.

Dabei ist der von Lötzsch erwähnte Beschluss bereits der zweite Versuch. Ein erster vom Mai hatte »für Irritationen gesorgt«, weil darin stand, dass bei der Vergütung der Vorstandstätigkeit »Verluste aus einem bisherigen Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen« seien. Das zielt eindeutig auf die Ansprüche von Klaus Ernst als ehemaliger Funktionär der IG Metall. Der Satz fehlt nun im Beschluss, und doch wird das Argument, Ernst habe durch seinen Wechsel ins höchste Parteiamt der LINKEN einen Verlust hinnehmen müssen, weiter ins Feld geführt – wie etwa von Lothar Bisky am Wochenende in dieser Zeitung. Der Landesvorstand in Schwerin nennt diesen Hinweis »abwegig« und weist in einem Schreiben an die Führung auf die »angespannte Finanzsituation der Partei sowie die Begründbarkeit erbetener Spenden« hin. Die offenbar schwindelerregende Höhe eines Gewerkschaftergehalts lässt die Kritiker, die sich vor allem im Osten befinden, nicht verstummen. Sie beharren darauf, dass die Diäten, die die Vorständler durchweg erhalten, weil sie alle zugleich Mitglieder des Bundestages sind, ein weiteres Gehalt von der Partei überflüssig machen. »Deshalb wiederholen wir die Frage, ob ein Mensch, sei seine Stellung noch so exponent, mehr zum Leben braucht als eine Bundestagsdiät«, heißt es im Brief der Sachsen.


Für Geld oder Ehre - Was Parteichefs verdienen

Berlin (ND-Schäfer). Es war eine Premiere: Als Angela Merkel vor zehn Jahren CDU-Chefin wurde, beschloss die Partei erstmals ein Gehalt für diese Funktion: 5000 DM netto. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle Unionsvorsitzenden unentgeltlich gearbeitet – und so ist es inzwischen auch wieder: Merkel bezieht heute kein Parteichefinnen-Salär mehr. Die Kanzlerin gibt bei den Abgeordneten-Bezügen nur das Amtsgehalt einer Kanzlerin an.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wird dagegen für seine Dienste bezahlt, obwohl er auch Bundestagsabgeordneter ist: »Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Berlin, Vorsitzender, monatlich, Stufe 3« steht bei ihm in der Rubrik »Entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat«. »Stufe 3« weist auf einen Betrag von mehr als 7000 Euro hin – was mindestens den Einkünften eines Bundestagsabgeordneten entspricht. Gabriel ist also zwei Abgeordnete – wie auch SPD-Generalin Andrea Nahles, die ebenfalls ein Zusatzsalär der »Stufe 3« vermeldet.

FDP-Chef Guido Westerwelle, der vor seinem Amtsantritt als Fraktionschef und Abgeordneter doppelversorgt war, gibt inzwischen nur noch das Ministergehalt als Zusatzeinkommen zu den Abgeordnetendiäten an, der Parteivorsitz wird nicht mehr entlohnt. General Christian Lindner bekommt zusätzlich eine »Stufe 2«, also einen halben MdB-Satz.

Claudia Roth, Chefin der Grünen, amtiert ehrenamtlich, da sie als Bundestagsabgeordnete versorgt ist. Co-Spitzenmann Cem Özdemir dagegen, der kein Mandat innehat, bezieht ein Parteigehalt in Höhe der Bezüge eines Bundestagsabgeordneten.

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