Olympialuft geschnuppert

Bei den Jugendspielen ging es um Spaß statt Leistung – nicht alle Athleten sehen das so

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 3 Min.

Jacques Rogge, der Herr der fünf Ringe, hatte einen kühnen Traum. Keine Flaggen, keine Hymnen, kein Podium. So sollten die Olympischen Jugendspiele für Rogge aussehen, für ihren Schöpfer. Die Traditionalisten im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem der Belgier nun seit neun Jahren als Präsident vorsteht, sahen dies allerdings anders, sie wollten alle olympischen Insignien, nicht nur die Flamme. Und deshalb wehten in den vergangenen dreizehn Tagen in Singapur, wo die ersten Jugendspiele gestern mit einer rauschenden Abschiedsfeier zu Ende gingen, nicht nur viele Nationalfahnen, es wurden auch fleißig Hymnen gespielt, am häufigsten die chinesische. 49 Medaillen heimste China ein, davon 29 aus Gold, die 70-köpfige deutsche Equipe kam auf insgesamt 23.

Apropos Medaillen, um die sollte es offiziell ja nicht gehen, deshalb war seitens des IOC auch jedwede Nationenwertung tabu. Nach Initiator Rogge sollten diese Jugendspiele vor allem ein Erziehungs-, Bildungs- und Kulturprogramm sein. Für die fast 4000 Athleten aus 204 Ländern sollte es ums olympische Schnuppern gehen, ganz ohne Leistungsdruck. Daran hielt sich vor allem die USA, die im inoffiziellen Medaillenspiegel hinter Deutschland lediglich Platz dreizehn belegten. Nationen wie China besaßen da einen ganz anderen Ehrgeiz.

Vor dem Beginn der Jugendspiele wurden vielerorts Befürchtungen laut, die Veranstaltung könnte zu einer Leistungsschau ausarten. Dies zu verhindern, sei die Herausforderung, hatte IOC-Chef Rogge den Skeptikern entgegengerufen. Und was sagen die Nachwuchssportler, die auf dem Gelände der Nanyang-Universität auch ihr eigenes Olympisches Dorf hatten, zur Frischenzellenkur der fünf Ringe? Eine »tolle Geschichte« seien die Jugendspiele, findet Judith Sievers, die im Ruder-Einer triumphierte. Jeder junge Athlet, so Sievers, wolle zu den »richtigen« Spielen, dahin aber sei es ein weiter Weg. »Deshalb ist es gut, dass es jetzt diese Jugendspiele gibt.« Andere sprachen von einem »großartigen Erlebnis«, wie der 17-jährige Ibrahim Ahmadsei, der Silber im Taekwondo holte.

Die Teilnahme aus purem Spaß an der Freude? Es gibt auch andere Stimmen. Gewichtheber Nico Müller etwa erklärte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: »Schaffe ich einen Medaillenrang, bedeutet das mehr Achtung in meinem Umfeld. Und vielleicht auch einen ersten Sponsor.« Eine erstaunlich realistische Einschätzung ist das, denn auch der 17-jährige Müller wird wissen: Für Talente wie ihn geht es nicht nur um die Ehre, es geht auch um die künftige Förderung. Gern werden die Athleten in diesem Zusammenhang auf den Satz von Ulf Tippelt verweisen. Der Leistungssportdirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) meinte: »Wer bei den Jugendspielen unter die ersten zehn kommt, hat noch eine große Zukunft vor sich.« Das klingt verheißungsvoll, ist aber keine Garantie. Eine Medaille hingegen dürfte die Chancen deutlich erhöhen.

Für das IOC sind die Jugendspiele nicht nur eine Möglichkeit, um den Nachwuchs, der ihnen laut Statistiken verlorenzugehen droht, für die olympische Idee zu begeistern, sondern zugleich auch Labor für die Erprobung neuer Wettkampfformen. Dazu gehörten in Singapur kontinentale Staffeln im Fechten und Triathlon, oder im Basketball die Variante 3 gegen 3 auf einen Korb – Streetball genannt. Dem werden nun sogar gute Chancen auf ein Debüt bei den großen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro eingeräumt.

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