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Bodenreform gestern und heute

Christlich-konservativer Bauernbund attackiert erneut Abgeordnete Tackmann

Erst war der sozialistische Frühling auf dem Lande, die Endphase der Genossenschaftsbildung im Jahre 1960 dran. Jetzt gibt es Zoff wegen der demokratischen Bodenreform 1945. Die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann und der Landtagsabgeordnete Michael-Egidius Luthardt (beide LINKE) sollen »unmissverständlich« erklären, »ob sie uns enteignen wollen«, verlangt Bringfried Wolter, Vizepräsident des christlich-konservativen Bauernbundes. Natürlich nicht, kontert Tackmann. Sie spricht von lächerlichen Unterstellungen.

Auslöser des Streits ist, dass die LINKE am Donnerstag um 9 Uhr ein Gedenken am Bodenreformdenkmal plant. Das Denkmal befindet sich an der Perleberger Straße in Kyritz. Um 19 Uhr soll es in Bluhms Hotel & Restaurant, Maxim-Gorki-Straße 34, eine Gesprächsrunde mit Tackmann, Luthardt sowie Thilo F. Papacek vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika geben. Das Thema: »Boden- und Landreformen heute«. Der Eintritt ist frei.

In Kyritz hatte der spätere DDR-Präsident Wilhelm Pieck am 2. September 1945 die Grundsätze der Bodenreform verkündet. Demnach wurden Kriegsverbrecher und Landbesitzer, die über mehr als 100 Hektar verfügten, komplett und entschädigungslos enteignet.

Wenn die LINKEN die damaligen Ereignisse als gesellschaftlichen Fortschritt feiere, so offenbare sich daran ihr nach wie vor »gestörtes Verhältnis zum Privateigentum«, schimpft Wolter. Über gerechte Bodenverhältnisse heute diskutieren zu wollen, sei eine »maßlose Frechheit«. Wenn Tackmann und Luthardt enteignen wollen, dann müsse die SPD als »verfassungstreue Partei« die Konsequenz ziehen. Im Klartext heißt dies: die SPD soll die rot-rote Koalition in Potsdam beenden.

Natürlich wolle sie die Bauern nicht enteignen, reagiert Tackmann. Sie sei im Gegenteil für bäuerliches Eigentum, dass am besten genossenschaftlich bewirtschaftet werde. Die Umverteilung ostdeutscher Äcker und Wälder in die Hände von Spekulanten ohne Verwurzelung in der Region sei schließlich eine Bedrohung für eine sozial und ökologisch verantwortungsvolle Landwirtschaft.

Sie wolle keine neue Bodenreform in Deutschland, die historische sei allerdings vollkommen richtig gewesen, betont die Agrarexpertin. Einschränkend erwähnt sie unbestrittene Willkür, die sogar antifaschistische Widerstandskämpfer getroffen habe. Auch stelle sich aus heutiger Sicht die Frage, warum den Betroffenen seinerzeit alles Land entzogen wurde, ob man ihnen nicht 100 oder wenigstens 50 Hektar hätte lassen sollen. Dann hätten sie in den Dörfern bleiben können. Entsprechende Überlegungen und kritische Anmerkungen habe es bereits 1945 und sogar in der KPD gegeben. Tackmann verwies auf den Politiker Edwin Hoernle (1883-1952).

In der Einladung zu Tackmanns Gesprächsrunde heißt es, die Bodenreform sei alliiertes Recht gewesen, aber nahezu ausschließlich in der sowjetischen Besatzungszone umgesetzt worden. Innerhalb weniger Monate seien knapp 12 000 Junker und Kriegsverbrecher, aber auch Großbauern enteignet worden. 3,3 Millionen Hektar – rund ein Drittel der land- und forstwirtschaftlichen Fläche – sei hernach an 560 000 Familien verteilt worden, darunter 91 000 Flüchtlinge und Umsiedler, »die damit eine Chance für einen Neuanfang nach dem verheerenden Krieg bekamen«. Die Bodenreform sei ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittelproduktion gewesen.

»Heute hungern weltweit eine Milliarde Menschen«, heißt es. Der Weltagrarbericht habe 2008 die große Bedeutung des Zugangs der Bevölkerung zu Boden, Wasser und Saatgut im Kampf gegen den Hunger betont. In Lateinamerika sei die Landlosenbewegung eine große gesellschaftliche Kraft. »Ihre Wurzeln liegen in Brasilien, wo 80 Prozent des Bodens 10 Prozent der Bevölkerung gehören.«

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