Toleranz übern Gartenzaun

Andreas Fritsche weint Kaminer eine Träne nach

  • Lesedauer: 2 Min.

»Parzelle 118 oder Die Russen kommen«, heißt das erste Kapitel in Wladimir Kaminers Buch »Mein Leben im Schrebergarten«. Jetzt gehen die Russen. Der Schriftsteller hat die besagte Parzelle in Prenzlauer Berg bedauerlicherweise gekündigt. Der Ordnungsfanatismus verleidete ihm den Spaß. Tatsächlich sind Regeln zwar notwendig, um unter Nachbarn klarzukommen. Nötig scheinen aber genauso ein freundlicher Umgangston und ein wenig Toleranz.

Grob vereinfacht gesagt, trifft in den Kleingärten in der Gegend ein alteingesessenes Arbeitermilieu auf zugezogene junge Kreative. Eine latente Fremdenfeindlichkeit ist auf der einen Seite leider so verbreitet wie es auf der anderen Seite lächerliche Vorurteile gegen den Osten sind. Dabei gilt es doch, zusammenzuhalten. Kleingärtner sind in der Regel Menschen, die sich des geringen Einkommens wegen den Traum vom Eigenheim nicht erfüllen können. Die Laube ist ein schöner Ersatz. Kleingärtner haben das gemeinsame Interesse, die Beseitigung ihrer Anlagen zugunsten von Gewerbegebieten abzuwehren.

Darum bitte mehr Herz und weniger Berliner Schnauze. Vorurteile lassen sich abbauen. Überheblichkeit gehört sich nicht. Erfahrene Kleingärtner geben bestimmt gern Tipps, wenn man sie höflich danach fragt. Aber sie müssen sich auch mal damit abfinden, wenn die Jugend einen anderen Geschmack hat. Halten sollten sich alle an den versöhnlichen Schluss, den Kaminer für sein Buch gefunden hatte: Die Erde sei ein Schrebergarten, »und wir sind ihre Freunde, die sich zwischen den nassen Rhabarberblättern einquartiert haben. Und darauf trinken wir noch einen.«

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