Ein Unbekannter: Neuerer der Moderne

Museum im Kulturspeicher Würzburg: Georges Vantongerloo – Maler, Bildhauer, Visionär

  • Barbara Reitter
  • Lesedauer: 2 Min.

Georges Vantongerloo ist der große Unbekannte der europäischen Kunstgeschichte, steht noch immer im Schatten berühmter Zeitgenossen. Dabei zählt er zu den wichtigsten Vertretern der abstrakten, konstruktiv-konkreten Malerei. Der gebürtige Belgier (1886-1965) arbeitete als Maler, Zeichner und Bildhauer, als Architekt und Theoretiker. Zwar finden sich seine Werke in den großen Museen der Welt, doch ist er erst jetzt erstmals in Bayern zu entdecken: der Würzburger Kulturspeicher präsentiert ihn mit 75 Werken als »Maler, Bildhauer, Visionär« in seinen verschiedenen Entwicklungsphasen. Vantongerloo war besessen von der Liebe zur Geometrie. Das ging so weit, dass er seine Werke nach mathematischen Formeln benannte. Wenige Farbstreifen und orthogonale Trennstreifen auf weißem Grund – die ersten Bilder sehen wie Konstruktionszeichnungen aus.

Wie jeder Maler seiner Generation hatte auch Georges Vantongerloo mit einer klassischen Ausbildung, an der Brüsseler Kunstakademie, begonnen, malte figurativ und adaptierte Strömungen der Zeit wie etwa den Pointillismus. Im Jahr 1917 wandte er sich der Gegenstandslosigkeit zu. Es war das Jahr, in dem Vantongerloo zusammen mit Piet Mondrian, Theo van Doesburg und Architekten wie Gerrit Rietveld die Gruppe »De Stijl« gründete.

Die Mitglieder waren Avantgardisten im Kampf für die Abstraktion und Utopisten im Wunsch nach einer humaneren Gesellschaft. De Stijl war als ganzheitliche Reformbewegung die niederländische Ausprägung des deutschen Bauhauses und propagierte den reinen Funktionalismus, der sich in puristischer Formensprache nach dem Prinzip »form follows function« äußerte. Ihre Kunst variierte wenige Grundelemente der Senkrechten und Waagerechten und machte das Quadrat zum Sinnbild der Moderne. Das bedeutete aber auch die Reduktion auf die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie die Nichtfarben Schwarz und Weiß.

Der experimentierfreudige Vantongerloo wandte sich schon nach einigen Jahren von De Stijl ab, entwickelte sich weiter in Richtung Gestaltung. Um Kunst und Leben zu verbinden, entwarf er Gegenstände für Inneneinrichtungen wie Lampen oder Möbel, aber auch Gebäude, ja sogar ganze Städte. Das futuristische Konzept seiner detailliert ausgearbeiteten »Wolkenkratzerstadt« mit riesigem Flugplatz wirkt noch heute hypermodern. Nachdem sich Vantongerloo in Frankreich niedergelassen hatte, wurde er spürbar freier, lockerer, fast poetisch verspielt in seinen Entwürfen. (bis 3.10.)

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