Krankenversicherung für alle

Boliviens Linkregierung will kostenfreies Gesundheitssystem einführen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.
2011 wird das kürzlich vorgestellte »Einheitssystem für Gesundheit« (SUS) in Kraft treten, gab der bolivianische Gesundheitsminister Eduardo Aillón in La Paz bekannt. Die neue Verfassung hat den freien und kostenlosen Zugang zu Gesundheit zum Staatsziel und Grundrecht erklärt.

Bolivien hat als Folge der Privatisierungspolitik der 1990er Jahre ein zersplittertes Krankenversicherungssystem. Wer es sich leisten kann, ist privat versichert oder zahlt Zahnarzt oder Krankenhaus selber. Über die öffentliche Arbeitnehmersozialversicherung (Cajas de Salud) sind circa 25 Prozent der angestellten Bolivianer krankenversichert. Bei Arbeitslosigkeit fällt diese aber oft innerhalb kurzer Zeit weg. Viele Arbeitnehmer werden zudem im Krankheitsfall entlassen und verlieren dann ihren Versicherungsschutz.

In den staatlichen Sozialprogrammen wie der »Allgemeinen Mutter-Kind-Versicherung« (SUMI) und der »Versicherung für Rentner« (SSPAM) sind rund zwölf Prozent abgesichert. Doch sind SUMI (Schwangere, Mütter und Kinder bis fünf Jahre) und SSPAM (Alte über 60 Jahre) nur Versicherungen für einen kurzen Zeitraum. »70 Prozent der Bevölkerung haben also keinen garantierten Zugang zu Gesundheit«, so Aillón. Eine Gesetzesnovelle zur Einführung der Gratisversorgung SUS werde in Kürze verabschiedet.

»Mit dem SUS wollen wir all die erreichen, die bisher keine Krankenversicherung haben und jene, die in SUMI und SSPAM sind, werden ins neue System eingegliedert«, erklärt Jorge Gemio, Ministeriumssprecher. In der Einheitsversicherung wolle man die Cajas de Salud »nach und nach« zusammenführen. Mangelnde Abstimmung zwischen Cajas, staatlichen Programmen sowie Krankenhäusern und kleinen Krankenstationen gelte es zu beseitigen.

Ein Blick auf die medizinische Infrastruktur spricht Bände: 40 Krankenhäuser, 30 Spezialkliniken, 149 Hospitäler, 986 Gesundheitszentren, 1408 kleine Krankenstationen gibt es im ganzen Land. Von diesen 2613 Einrichtungen sind 1995 in öffentlicher Hand, 197 gehören den Sozialversicherungen, 254 werden von Nichtregierungsorganisationen, 101 von Kirchen betrieben, 66 sind in privater Hand. Es ist wie fast überall: Während sich die Mehrzahl der ärmeren Kranken in schlecht ausgestatteten Staatskrankenhäusern drängt, kapseln sich Privilegierte in modernsten Privatkliniken ab.

Dem Trend wird jetzt entgegengesteuert. Die Linksregierung muss dafür tief in die Tasche greifen: Die Kosten für die über 7,5 Millionen neuen Versicherten werden auf jährlich 757 Millionen US-Dollar veranschlagt, pro Person und Jahr rechnet man mit 100 Dollar. Zur Verwaltung ist ein »Einheitlicher Gesundheitsfonds des Plurinationalen Staates« geplant, untergliedert in Landkreise (Departamentos) und Kommunen.

Zur Finanzierung wird alles angezapft: Zuweisungen der nationalen Staatskasse, Departamentos und Kommunen, eine Arbeitgebersteuer, Gelder aus dem internationalen Fonds für »schwer verschuldete arme Länder« (HIPC II), Entwicklungshilfegelder und Sondersteuern auf Tabak, Alkohol und Geldüberweisungen aus dem Ausland sollen dazu beitragen, dass Gesundheit in Bolivien kein Luxusgut mehr ist.

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