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Warnung vor neuem Kollaps

EU-Abgeordnete der Grünen und der Liberalen ziehen Bilanz der Krise

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war ein ungewöhnliches Duo: Sven Giegold von den Grünen und der Liberale Jorgo Chatzimarkakis kritisierten in Brüssel den Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise.

»Viele Politiker haben sich von sehr schlauen Bankern hinter die Fichte führen lassen.« Und: »Es gibt so viele Politiker in den EU-Mitgliedsstaaten, die keine Ahnung von Finanzen haben.« An klaren Worten mangelte es nicht am Mittwochabend in Brüssel, im kleinen Kreis weniger Besucher, die genau zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman-Brothers in die Ländervertretung von Tirol gekommen waren. Sie wollten sich die Bilanz »Zwei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise« aus EU-Sicht anzuhören.

Wie fiel diese Bilanz aus? »Man kann nicht zufrieden sein mit den Konsequenzen.« Diejenigen, die das sagten, waren Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen und Mitbegründer der globalisierungskritischen Bewegung Attac-Deutschland, sowie Jorgo Chatzimarkakis, FDP-Kollege von Giegold im EU-Parlament. Die wahren Gründe für den Ausbruch der Krise werden nicht angegangen, die Diskussion droht technokratisch zu werden und die Bürger sind unzufrieden damit, dass die Verursacher nicht an den Kosten beteiligt werden«, so Giegold. Die Krise sei von unfähigen Politikern versucht worden zu managen, die jetzt, wenn alles abzuebben scheint, sich schnell und gerne anderen Themen zuwenden. Meint Chatzimarkakis. »Dabei ist die Krise gar nicht vorbei, sondern wir sind jetzt in Jahr drei der Krise, man muss nur in die Welt schauen«, sagte der Deutschgrieche. Und: »Wir müssen die Schäubles und die Merkels weiter treiben, sich mit dem Thema zu beschäftigen.«

Denn beim Blick in die Zukunft, da waren sich die beiden Politiker einig, seien unschwer dunkle Wolken am Horizont zu erkennen. Die Regulierung der Finanzmärkte sei noch nicht erreicht. Bei der EU gebe es Vorschläge, die erarbeitet würden, aber das brauche alles Zeit, erklärte Giegold. Zu lange habe man in den vergangenen Jahren der neoliberalen Idee vertraut, dass der Markt alles richten werde. Auf EU-Ebene, in den europäischen Staaten, in den Medien. Märkte bräuchten jedoch Regeln, betonte Chatzimarkakis. »Man hätte die Finanzmärkte sich nicht von der realen Industrie abkoppeln lassen dürfen«, fügte er hinzu.

Aus den Fehlern müsse man lernen. Aber anscheinend seien einige europäische Staaten dazu nicht bereit und verzögerten schnelle Einigungen. Dabei sei der in der EU eingeschlagene Weg in Richtung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zumindest für die Euro-Länder eine ganz wichtige Sache. Denn die europäische Währung sei alles andere als sicher. Auch, wenn sie sich derzeit erholt zeige. »Der milliardenschwere Rettungsschirm, den die EU zum Schutz Griechenlands aufgespannt hat, war richtig, weil dadurch Zeit gewonnen wurde«, so Giegold. Die Zeit müsse man aber nutzen, um die einzelnen nationalen Wirtschaftsräume in einer gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik zu vereinigen. Das ermögliche eine größere Kontrolle der Budgets, der finanziellen Entscheidungen, und würde vor bösen Überraschungen wie dem enormen griechischen Staatsdefizit schützen. Die Euro-Länder würden dadurch gegen erneute Krisen weitgehend abgesichert. Bleibt jedoch alles wie bisher, seien neue Finanzkrisen unausweichlich. Auf den Märkten gebe es heute schon Anzeichen, dass man auf neue Schwächen der Einheitswährung spekuliere, sagte Giegold.

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