Nichts gegen Muslime

Phobie oder Kritik?

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf die Unschärfe eines Begriffs, der in den jüngsten Debattenschlachten oft allzu schnell als Knüppel aus dem Sack gezogen wird, wies dieser Tage in der »taz« der Politologe Armin Pfahl- Traughber hin. Der Begriff, der gemeint ist, heißt »Islamophobie«.

Als Phobie bezeichnet man in der Psychologie ein krankhaft übersteigertes, rational unbegründetes Angstgefühl. Eine derart diffuse Abneigung mag, bezogen auf den Islam, verbreitet sein in jenem großen Teil der Bevölkerung, der Moscheen in europäischen Städten, Kopftuch tragende Frauen und vollbärtige Männer in der U-Bahn allein wegen ihrer Fremdheit als Bedrohung der eigenen Existenz empfindet. Solche Gefühle sind nicht kleinzureden – noch sind sie zu verwechseln mit antimuslimischer Diskriminierung und Feindseligkeit, zu deren Bezeichnung Pfahl-Traughber den Begriff »Muslimenfeindlichkeit« vorschlägt.

Die Gefahr indes ist offenkundig, dass die verbreitete stille Phobie in offene und lautstarke Aggression umschlägt. Ein islamophobes Schwelen ist in westlichen Gesellschaften spätestens seit dem 11. September 2001 zu beobachten. Bücher wie jene von Thilo Sarrazin und Alice Schwarzer drohen in einer solchen Situation – womöglich entgegen ihrer Intention –, als Brandbeschleuniger zu wirken. Je bruchstückhafter ihre Inhalte zur Kenntnis genommen, je medienwirksamer ihre Zündstoffe verschärft werden, desto alarmierter sollte die Feuerwehr sein.

Wie aber löschen? Gewiss nicht, indem man Probleme kleinredet, geschweige, indem man schlicht meint, Funken schlagende Bücher mit den Fußsohlen austreten zu können. Die Psychotherapie behandelt phobische Störungen durch Konfrontation mit der angeblichen Bedrohung. Dies, kühlen Kopfes und vorurteilsfrei in Angriff genommen, ist geboten in der Auseinandersetzung sowohl mit den Feinden der Muslime, als auch im Umgang mit dem Islam selbst. Mit all den Sarrazins argumentativ zusammenzustoßen, die sich in den aktuellen Debatten Luft verschaffen, kostet zweifellos Überwindung. Und ganz sicher ist es beschwerlicher, als sie pauschal zu verdammen. Wer aber einen friedlichen Dialog mit dem Islam befürwortet, darf dessen Kritikern diesen Dialog nicht verweigern.

Statt mit Beißreflexen zu reagieren, sobald »Islamophobie« gewittert wird, sollte gerade eine multikulturalistische Linke fein unterscheiden zwischen antimuslimischen Anfeindungen, die sich gegen Menschen und Menschengruppen richten, und einer sachlich vorgetragenen Kritik am Islam als religiös-politischem System. Wer der Meinung ist, schreibt Armin Pfahl-Traughber in der »taz«, »dass sich der Islam ›auf freiheitsfeindliche und überkommene Regeln und Werte‹ stütze, oder findet, dass sich ›besonders gläubige Muslime bewusst von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen‹, sollte sich nicht dem Vorwurf der Muslimenfeindlichkeit ausgesetzt sehen.«

Es ist erstaunlich, dass das Feld einer so verstandenen Islamkritik bislang fast ausschließlich im konservativen politischen Spektrum beackert wird. Welcher auf Gemeinsinn, Friedfertigkeit und Emanzipation von herrschaftlicher Unterdrückung bedachte Linke kann denn guten Gewissens die patriarchalischen, gewaltsamen und intoleranten Aspekte des politischen Islam einfach ausblenden?

Das unbedingte Bekenntnis zur Würde jedes einzelnen Menschen, welchen Glaubens und welcher Herkunft er auch sein mag, darf gerade von säkularen Humanisten und Sozialisten nicht verwechselt werden mit dem Tabu, ein repressives und menschenverachtendes System als solches bloßzustellen. Und hieße es Islamismus.

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