Sprechen wir deutsch?

  • Brigitte Zimmermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Man hört und liest heute allenthalben, wie wichtig es sei, in Deutschland deutsch zu sprechen. Besonders jenen, deren Muttersprache eine andere ist, schallt es von überall entgegen, sie mögen sich befleißigen. Dagegen ist nichts vorzubringen. Allerdings wäre es wünschenswert, auch den Eingeborenen öfter nahe zu legen, mit ihrer Sprache pfleglicher umzugehen. Das gilt sogar und gerade für jene, die mit Sprache oder dem, das sie dafür halten, ihr Geld verdienen. Es wimmelt nämlich auch im Bereich unserer schönen Medienwelt von viel verwendeten Begriffen, die ein Mensch mit so genanntem Migrationshintergrund, selbst wenn er sich um das Deutsche sehr bemüht, gar nicht verstehen kann.

So hat die katholische Kirche in Deutschland, wenn man den Medien Glauben schenkt, einen Missbrauchsbeauftragten. Es handelt sich um den Trierer Bischof Stephan Ackermann. Aber natürlich ist der Mann nicht mit Missbrauch beauftragt. Das wäre noch schöner. Sondern er ist der Ansprechpartner für Missbrauchsfälle und, wenn es gut geht, vielleicht auch Aufklärer von Missbrauchsfällen. Oder Christine Bergmann, nunmehr für die Bundesregierung in Sachen Missbrauchsskandal tätig. Auch sie ist keine gar von der Regierung mit Missbrauch beauftragte, wie man immer wieder lesen muss.

Ein anderer verwirrender Begriff ist der jüngst ins Gerede gekommene Wettermoderator. Der Wettermoderator – warum es so etwas überhaupt geben muss, wissen die Götter – moderiert keineswegs das Wetter. Dem ist er genauso ausgeliefert wie wir alle, die keine Wettermoderatoren sind. Der Wettermoderator vermittelt lediglich die mitunter ambivalenten Erkenntnisse darüber, wie das Wetter demnächst werden könnte. Nach dem unsinnigen Wortschöpfungsprinzip Wettermoderator könnte sich die Bundeskanzlerin beispielsweise auch Bankenmoderatorin nennen. Denn sie hat auf die unverfrorenen Banken trotz der vielen Staatsmilliarden so wenig Einfluss wie der Wettermoderator auf das Wetter.

Zu den schicken verbalen Hervorbringungen, von denen schon Muttersprachler überfordert sind, von Ausländern ganz zu schweigen, gehört auch das Wort Event-Zweiteiler. Ein Event-Zweiteiler könnte, wenn man es so hört, vielleicht ein zweiteiliges Kleidungsstück sein, das zum Event wird, also zum Ereignis. Soll ja vorkommen. Ist es aber nicht. Denn Spezialist für so genannte Event-Zweiteiler ist das ZDF. Wer nun denkt, dass bei einem Event-Zweiteiler ein allen bekanntes Ereignis zweiteilig als Film angeboten wird, irrt sich ebenfalls. Ein Event-Zweiteiler ist schlicht ein zweiteiliger Film, von dem der Sender hofft, dass er quotenmäßig zum Ereignis wird. Die letzten beiden Event-Zweiteiler hießen »Der Seewolf« und »Das Geheimnis der Wale«, letzterer mit der unvermeidlichen Veronica Ferres. Ereignisse, die schnell in Vergessenheit gerieten.

Eigentlich nur mit Spezialausbildung zu verstehen ist der Sprachgebrauch der Boulevard-Medien, respektive der People-Magazine. Dort geistern gern Society-Ladies durch die Gegend. Society-Lady ist eine Dame aus höheren Gesellschaftskreisen, die im Unterschied zu den meisten anderen von sich reden macht. An ihrer Spitze marschiert derzeit fast überall Stephanie zu Guttenberg, Gattin des selbstverliebten Verteidigungsministers und Regierungsmodels Karl Theodor. Offenbar hat sie beschlossen, es mit der Bühnenpräsenz ihres Mannes aufzunehmen. Mittels eines Buches und eines dafür grotesk ungeeigneten Fernsehsenders sieht sie sich im Kampf gegen die sexistische Aufladung unseres Alltags, die besonders Kindern schadet. Dieses ernste Thema sollte nicht von Leuten mit bedenkenlosem Ego angegangen werden. Da ist dann sogar die medial ebenso präsente Charity-Lady vorzuziehen. Auch das ist kein Deutsch, liebe ausländische Mitbürger! Die Charity-Lady sorgt mit Spendengalas dafür, dass gute Taten der High Society auch öffentlich werden.

Gegen Missbrauchbeauftragte für die deutsche Sprache wäre nichts einzuwenden.

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