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»Richter trieb doppeltes Spiel«

Mouctar Bah über die Neuauflage des Oury-Jalloh-Prozesses

  • Lesedauer: 3 Min.
Oury Jalloh ist 2005 in einer Polizeizelle verbrannt. Eine Gedenkinitiative ruft am Montag um 16 Uhr zur Demonstration nach Magdeburg auf. Mit MOUCTAR BAH, Mitgründer der Initiative, sprach BIRGIT V. CRIEGERN.
Mouctar Bah hat die Initiative in Gedenken an den Flüchtling Oury Jalloh mitgegründet.
Mouctar Bah hat die Initiative in Gedenken an den Flüchtling Oury Jalloh mitgegründet.

ND: Sie haben zur Demonstration aufgerufen. Was ist der Anlass?
Bah: Am Magdeburger Landgericht wird der Revisionsprozess zum Feuertod Oury Jallohs eröffnet. Die Verhandlung sollte eigentlich am 25.10. beginnen, wurde aber wegen Krankheit des angeklagten Polizeibeamten auf den 12. Januar 2011 vertagt. So vergeht erneut Zeit. Wir sehen das skeptisch und werden verhindern, dass ein Vergessen in der Öffentlichkeit eintritt.

Wir wollen informieren und erzählen. Am Montag werden wir in Magdeburg ab 10 Uhr vor dem Landgericht mit einer Mahnwache Oury gedenken, über Rassismus und Polizeigewalt sprechen. Das Netzwerk Karawane und The Voice Refugee Forum haben mit uns für den Tag mobilisiert. Es wird auch Djembe-Musik und Theater geben, bevor wir gemeinsam demonstrieren. Wir fordern, dass die Prozesseröffnung zugesichert wird und es nun lückenlose Aufklärung gibt.

Wie erwartet die Gedenkinitiative von der Neuauflage des Prozesses? Bei dem ersten Prozess ging sie ja ab einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Gerichtssaal.
Wir fordern erstens, dass er wirklich stattfindet. Und dann werden wir den Verlauf kritisch beobachten. Der erste Prozess war eine Farce mit Vertuschungen und Falschaussagen der Polizisten, und auch der Richter trieb in unseren Augen ein doppeltes Spiel. Wir hoffen, dass es jetzt bei der Revision in Magdeburg besser läuft, und wir wollen Oury Jallohs Familie wieder unterstützen in ihrem Recht auf Wahrheit und Entschädigung. So werden wir auch wieder versuchen, die Familie aus Guinea einzuladen. Dazu brauchen wir wieder Mittel und werden für Unterstützung mobilisieren.

Welche Punkte müssen im Prozess geklärt werden?
Viele Punkte, wie: geänderte Protokolle im Polizeirevier, die Herkunft einer Flüssigkeit, die in der Zelle entdeckt wurde, die Herkunft des Feuerzeugs, mit dem sich Oury selbst angezündet haben soll, Erkenntnisse zur Videoüberwachung seiner Zelle, das Verschwinden einer Handschelle, mit der er angekettet war. Dann die Frage: Wer war um 11.30 Uhr bei ihm in der Zelle? Der Nasenbeinbruch und die Ohrenverletzung, die später bei Jalloh festgestellt wurden – wie kamen die zustande? Die Initiative hofft auch, dass unabhängige Experten beauftragt werden, die klären sollen, ob Jalloh in der Lage war, sich selbst und die Matratze anzuzünden.

Was waren für Sie wichtige Entwicklungen während der öffentlichen Kampagnen für Oury Jalloh?
Wir haben das Thema Gerechtigkeit auf die Straße bekommen. Viele AntirassistInnen haben diese Sache unterstützt, auch internationale KünstlerInnen haben Filme und ein Theaterstück über Oury Jalloh geschaffen. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass nicht wieder Schweigen eintritt. Und ich sehe auch die Situation für Flüchtlinge in Deutschland – mit Heimdasein, Behördenrassismus … Leider ist für sie nichts besser geworden.

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