Sorgentelefon für muslimische Bürger

Beratung: Diskriminierung gehört zum Alltag

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.

Fehlende Intelligenz und der Unwille zur Integration. Muslimische Mitbürger wurden in letzter Zeit immer wieder zur Zielscheibe verbaler Attacken. Die öffentliche Debatte sei jedoch nur eine Zuspitzung dessen, was Muslime oft erleben. Diskriminierungen im Alltag gebe es schon lange, meint Mohammad Imran Sagir, der Geschäftsführer des Muslimischen SeelsorgeTelefons (MuTeS) in Berlin.

»Die Debatte ist schlimm, aber sie bringt im Wesentlichen nur die Meinung der Mehrheitsgesellschaft ans Licht«, sagte Sagir gegenüber ND. Der gebürtige Berliner mit indischen Wurzeln hat selbst Erfahrungen mit Ausgrenzungen gemacht. »Vor rund sechs Jahren waren meine Frau und ich in Berlin auf Wohnungssuche. Als wir eine passende gefunden hatten, bat mich der Vermieter um einen Brief, in dem ich erklären sollte, wie integriert ich bin«, so der ausgebildete Betriebswirt. Ob auf dem Spielplatz oder in der Nachbarschaft, vor allem Kopftuch tragende Frauen seien im Alltag islamfeindlichen Äußerungen, ablehnenden Blicken oder Beschimpfungen ausgesetzt.

Trotzdem häufen sich die Klagen bei der Seelsorge-Hotline nicht. »Die Entwicklung ist ja nicht neu, die meisten haben sich damit abgefunden und unternehmen keine weiteren Schritte.« In einzelnen Fällen haben sich jedoch auch Betroffene gemeldet, die am Arbeitsplatz gemobbt wurden oder gar ihren Job verloren haben. Diese Fälle habe die Seelsorge an Anti-Diskriminierungsstellen weitergeleitet, so Sagir.

Die häufigsten Probleme, die mit dem Dienst besprochen werden, seien in der Regel persönlicher Natur. Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern, Probleme mit den Kindern, aber auch Drogenproblematiken und Krankheiten seien Thema der Gespräche, die auf beiden Seiten anonym geführt werden. Rund 70 Prozent der Anrufer sind Frauen. »Das ist bei den kirchlichen Seelsorgestellen nicht anders«, versicherte der Geschäftsführer von MuTeS. Insgesamt sind 42 Ehrenamtliche von 12 bis 24 Uhr für den Dienst tätig, darunter zwei Imame, die bei religiösen Fragen Beistand geben sollen. Alle Helfer haben zuvor an der Ausbildung zum Seelsorger teilgenommen. »Am heutigen Samstag beginnt ein neuer Kurs, dann können wir das Angebot ab Februar nächsten Jahres erweitern.«

MuTeS bietet seit Mai 2009 das ganze Jahr über Hilfe an. Die Gespräche werden auf Deutsch geführt, dienstags auf Deutsch und Türkisch und nach Terminabsprache sind auch Gespräche auf Arabisch, Urdu, Englisch, Französisch oder Spanisch möglich. Hilfe gebe es allerdings nicht nur für Muslime. Auch wenn ein Großteil der Anrufer muslimischen Glaubens ist, gebe es auch Nachfragen von Menschen mit anderen Glaubensrichtungen, betont die Initiative.

Für ihr Engagement wurde die Telefonseelsorge zusammen mit dem Träger Islamic Relief e. V. und den Kooperationspartnern Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin, vom Bündnis für Demokratie und Toleranz mit einem Preis geehrt.

Muslimisches SeelsorgeTelefon: 030 / 443 50 98 21

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