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Ökologisches Parlament

Zu Bahros Text

  • Marko Ferst
  • Lesedauer: 2 Min.
Rudolf Bahro (1935 - 1997)
Rudolf Bahro (1935 - 1997)

In den Vorlesungen, die Rudolf Bahro Anfang der neunziger Jahre in der Humboldt-Universität hielt, findet man vereinzelt Einlassungen zur PDS. Er hielt sie für völlig unfähig, die ökologische Zivilisationskrise angemessen anzugehen. So überraschte es, als er 1995 mit seinem Essay »Das Buch von der Befreiung aus dem Untergang der DDR« auf 124 Seiten fragte, wie Kommunismus mit Ökologie und seelischer Größe verbunden werden könnte – dies im Kontext linker Politik.

Guntolf Herzberg nahm diesen Essay in den Nachlassband auf, aber der Text ist weitgehend unbekannt geblieben. Die eigentlich Adressierten hat er offenbar nicht erreicht. Bahro spricht darin in lockerer Form Gysi, Wagenknecht, Bisky unmittelbar an. Er mahnt, kurzfristige wirtschaftliche Interessen und allzu eng verstandenen gewerkschaftlichen Klientelismus zugunsten langfristiger sozialer und ökologischer Ansätze zurückzudrängen. Für völlig unsinnig hielt er es, der industriellen Megamaschine nur ein Stockwerk Umwelttechnik zu implantieren. Man müsse die heutigen Energie- und Materialverbräuche um den Faktor 10 zurückfahren.

Bahros Argumentation zielt darauf – am Schluss des abgedruckten Auszugs ist davon die Rede –, ein dem Parteiensystem übergeordnetes Parlament einzurichten. Er nennt es Ökologisches Oberhaus. Dieses würde dem Bundestag den politischen Rahmen setzen, nur Einzelpersonen würden dafür kandidieren können, die ihre ökologische Qualifikation dafür ausweisen müssen. Vorausgesetzt ist ein Klimawandel in der gesellschaftlichen Psychologie. Die Idee ist erläutert in Bahros »Logik der Rettung«. In »Wege zur ökologischen Zeitenwende« habe ich (Marko Ferst) die praktische Umgestaltung des Regierungssystems ausgeführt.

Bahro ging davon aus, man könnte in drei, vier Anläufen eine ökologische Alternative politisch umsetzen. Ihm war zugleich klar, die Trägheitskräfte sind historisch beispiellos, es könnte mehr als ein oder zwei Milliarden Menschen die Existenz kosten.

Am 16.11., 18 Uhr, findet eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Geburtstags von Rudolf Bahro statt: »Für das Ganze denken. Rudolf Bahros sozialökologische Alternative«. Rosa-Luxemburg-Stiftung, Konferenzsaal, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin

Der vollständige Essay findet sich in dem von Guntolf Herzberg herausgegebenen Band Rudolf Bahro: Denker, Reformator, Homo politicus. Nachgelassene Texte (Edition Ost, 2007).

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