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Die Schrift beim Wort genommen

Andreas Gerls »Fröhlicher Streifzug« durch die Bibel

  • Hannah Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Salomo war ein König, dessen Weisheiten und Reichtum die Bibel nicht rühmen kann. Seine wirtschaftlichen Erfolge, so erzählt uns Andreas Gerl, verdankte er der Einsicht, dass es vorteilhafter war, mit den Nachbarn Handel zu treiben statt Kriege zu führen. Die gutnachbarlichen Beziehungen untermauerte Salomo zudem bei jeder Gelegenheit durch Heirat mit den Herrschertöchtern. »Dank solcher privilegierter Partnerschaften schossen die Import- und Exportraten in die Höhe ... So wurde Salomo ein Mann der Superlative: der weiseste, der reichste und der meist beweibte Mann unter den Sterblichen. 700 Ehefrauen und 300 Konkubinen besaß er schließlich. »Da fehlte nur noch eine für 1001 Nacht«, kommentiert Andreas Gerl in witzig-lakonischer Art.

Weisheit und Reichtum gut und schön, aber das mit den Hunderten von Frauen mag vielleicht doch nicht jeder glauben. Hat der Autor nicht genau gelesen? Keinesfalls! Wer eine Bibel besitzt, kann nachschauen, nämlich im Alten Testament, im 2. Königsbuch, und da sind dann auch die sagenhaften Schätze aufgelistet, die sich der König unter den Nagel riss, unter anderem sechshundertsechsundsechzig Zentner Gold. Wow!

Hier haben wir eine von Hunderten Geschichten herausgegriffen, die sich zur tausendjährigen Geschichte des Volkes Israel zusammenfügen und die die Bibel so spannend, facettenreich und vielschichtig erzählt. Seit Urzeiten bis in die Gegenwart sind sie immer wieder weitergegeben, vielfach gedeutet und erforscht worden. Viele Menschen lesen die Bibel als »Heilige Schrift«, viele als Geschichtsbuch, manche deuten die Geschichten archetypisch oder psychologisch (man denke an Eva und die Schlange oder Jakobs Himmelsleiter).

Die Geschichte vom kleinen Moses im Schilfkörbchen kennen wir, auch die von David und dem Riesen Goliath. Über Joseph und seine Brüder hat uns Thomas Mann fast schon zu viel erzählt. Aber spätestens beim Betrachten eines alten Meisterbildes, »Simson mit dem Löwen« zum Beispiel, fragen wir uns: Wie war das? Oder ein bisschen einfacher: Waren es nun Kain und Abel oder Jakob und Esau, die sich wegen eines Linsengerichts so schrecklich in die Haare bekamen? – Von Namen wie Elia, Elisa, Debora oder Judith ganz zu schweigen.

Andreas Gerl (im Hauptberuf Rechtsanwalt) unterlässt bei seinem Streifzug durch das Alte Testament (samt Apokryphen) alle Erklärungen, Tüfteleien und Deuteleien. Er nimmt die Schrift beim Wort und erzählt die Geschichten so, wie sie in der Bibel zu lesen sind. Nur langweilige Geschlechterregister, Kriegsberichte und seitenlange Gesetzesvorschriften lässt er beiseite. Er erzählt ausgesprochen witzig, in unserer alltäglichen Gegenwartssprache. Zumeist enthält er sich der Kommentierung, aber manchmal muss es sein, etwa (wir zitierten es schon) bei Salomo oder bei der Geschichte von Adams Erschaffung aus einem Erdkloß, dem Gott die Seele einhauchte. »Keine schöne Vorstellung, aus Dreck zu bestehen, aus Dreck mit Seele«, schreibt Gerl, »da wäre es einem vielleicht doch lieber, man würde vom Affen abstammen.« Und damit hat er natürlich Recht.

Andreas Gerl: Knall und Chaos. Fröhlicher Streifzug durch die biblische Geschichte. Frieling Verlag. 173 S., brosch., 12,90 €

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