Schlagabtausch zu Atomgesetzen und Hartz IV

Bundesrat stimmt für Brennelementesteuer / Bei Hartz IV ist noch umstritten, wieviel der Bund künftig zahlen soll

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie erwartet, hat die Bundesregierung heute ihr Atom-Gesetzespaket in den Bundesrat eingebracht, ohne damit zugleich dessen Zustimmung dafür einzuholen. Denn als sogenanntes Zustimmungsgesetz wäre die Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Atomkraftwerke bis zum Jahr 2040 nicht durchsetzbar. Schwarz-Gelb hat nur 31 von 69 Stimmen. So wurden die Gesetze kurzerhand für nicht zustimmungspflichtig erklärt.

Deswegen werden fünf Länder, die von SPD, Grünen und LINKEN regiert werden, jetzt vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen, wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) gestern im Plenum der Länderkammer erklärte. Beck, der mit ruhiger Stimme zunächst die verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Umgehung der Zustimmungspflicht vortrug, setzte dann zur Attacke auf die Bundesregierung an. Diese stelle die Profite der Stromkonzerne über die Verfassung und gefährde die Sicherheit der Bürger. Bei der neuen Brennelementesteuer hätte sich die Bundesregierung von den Konzernen in »unglaublicher Weise über der Tisch ziehen lassen«. E.on und Co. dürfen die neue Steuer als Betriebsausgabe abbuchen. Der Bund streicht Einnahmen ein, welche die Konzerne sich zum Teil aus den Kassen der Länder und Kommunen wieder zurückholen.

Auch der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) und der brandenburgische Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) griffen in die Debatte ein. Christoffers sagte: »Wer die Energieträgerstrukturen der Gesellschaft verändert, verändert die Gesellschaft selbst.« Weil die Atomstromerzeuger neue wesentliche Wettbewerbsvorteile erhielten, gerate die Energiewirtschaft der Länder, die keine Atomkraftwerke haben, stark unter Druck.

Der baden-württembergische Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) verkaufte die Laufzeitverlängerung dagegen als Klimaschutzpolitik. Natürlich halte man am Atomausstieg fest. Allerdings müsse man verstehen, dass zur Gewährleistung der Stromversorgung der Erhalt von Atomkraftwerken dem Neubau von CO2-intensiven Kohlekraftwerken vorzuzuziehen sei.

Inzwischen liegen bei Bundespräsident Christian Wulf über 120 000 Unterschriften vor, die ihn auffordern, die verfassungswidrigen Atomgesetze nicht zu unterzeichnen.

Auch zu den Themen Haushalt und Hartz IV gab es gemeinsame Anträge der rot-grün oder rot-rot regierten Bundesländer. Die Sparbeschlüsse im Sozialbereich, etwa beim Elterngeld, den Heizkostenzuschüssen und im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, sollen danach aufgehoben werden. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) warf der Regierung vor, sich bei der Neubemessung des Hartz-IV-Regelsatzes »an der Kassenlage« statt am Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu orientieren. Das höchste Gericht hatte die Regelsätze als grundgesetzwidrig eingestuft. In einem gemeinsamen Antrag der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und NRW wird die weitreichende Überarbeitung des Gesetzes verlangt. Neben einer verfassungskonformen Neuberechnung der Regelsätze sollen 140 000 Kinder zusätzlich Zuschüsse zum Schulessen bekommen. Darüber hinaus soll der Bund zwei Milliarden Euro jährlich für ein Programm für Schulsozialarbeit zur Verfügung stellen.

Obwohl dieser Antrag keine Mehrheit fand, knüpfte die Länderkammer einige Bedingungen an die Zustimmung zur Neuregelung der Regelsätze. Sie betreffen vor allem die Bundesbeteiligung an den Ausgaben für Hartz-IV-Empfänger. Denn beim Geld hört auch für die CDU-regierten Länder die Freundschaft auf. Das wiederum gilt ebenso für das Thema Brennelementesteuer. Erst in letzter Minute konnte die Kanzlerin eine Anrufung des Vermittlungsausschuss auch durch die unionsgeführten Bundesländer verhindern. Bis zum 17. Dezember, wenn der Bundesrat abschließend über die Regelsätze abstimmen wird, kann die Regierung nun versuchen, Zugeständnisse zu machen, um die fehlenden Länderstimmen zu bekommen.

Weiterhin stimmte der Bundesrat u. a. einer Abgabe auf Flugtickets und Einschnitten beim Elterngeld zu. Banken müssen künftig einen Teil ihres Gewinns zur Vorbereitung auf Krisen in einen Fonds einzahlen, der auf 70 Milliarden Euro anwachsen soll. Ab nächstem Jahr dürfen 17-Jährige in Begleitung Erwachsener Auto fahren. Und bereits ab Montag gilt bei Glätte die Winterreifenpflicht.

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