Mit Buddha gegen Aids

Das »Salvation Center Cambodia« leistet in Kambodscha Unterstützung gegen die Pandemie

  • Michael Lenz, Phnom Penh
  • Lesedauer: 6 Min.
Derzeit leben rund 33,3 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Nach den neuesten UN-Schätzungen zum heutigen Weltaidstag ging die Zahl der HIV-Neuinfektionen in den vergangenen zehn Jahren um fast 20 Prozent zurück. In Kambodscha hilft die auf buddhistischen Prinzipien basierende Aidshilfe »Salvation Center Cambodia« (SCC), die Pandemie und ihre Folgen zu begrenzen.
Mönch Doung Sokunt Wat scheut sich nicht, Aids-Betroffene wie Mao Bunthoeung und ihre Tochter Chariva zu besuchen.
Mönch Doung Sokunt Wat scheut sich nicht, Aids-Betroffene wie Mao Bunthoeung und ihre Tochter Chariva zu besuchen.

Mao Bunthoeung ist HIV-positiv. Zusammen mit ihren drei Kindern lebt die 51-Jährige in einem Slum in Phnom Penh am Ufer des Bang Koek Sees. Auch ihre jüngste Tochter Chariva ist mit HIV infiziert. Ihre 30 Quadratmeter große Hütte aus verwittertem Teakholz teilt sich die Familie mit zwei weiteren Familien. Die hygienischen Bedingungen sind schlecht. Sanitäre Anlagen gibt es keine. In der Nacht war ein Wolkenbruch über Phnom Penh niedergegangen. Jetzt stehen die schmalen Gassen und auch so manche Hütte knöcheltief unter Wasser.

Ungesunde Verhältnisse

Die schmalen Gassen haben eine Zementdecke. Die behindert den Ablauf des Wassers. »Es wird sicher acht bis zehn Tage dauern, bis das Wasser weg ist«, weiß Mao Bunthoeung aus Erfahrung. Das Leben in überfluteten Gassen und feuchten Häusern ist schon für die gesunden Menschen eine Gefahr. »Vor allem die Kinder leiden schnell unter Durchfallerkrankungen durch die vielen Fäkalien und Abfälle im Wasser«, sagt Doung Sokunt Wat. »Noch gefährlicher ist die unhygienische, feuchte Situation für diejenigen, deren Immunsystem bereits durch Aids schwer angeschlagen ist«, fügt der buddhistische Mönch von der auf buddhistischen Prinzipien basierenden Aidshilfe »Salvation Center Cambodia« (SCC) hinzu. Viele Menschen am See sind von Aids betroffen. Manche sind HIV-positiv. Andere haben Angehörige durch Aids verloren, so wie Pisay ihre Eltern. Die Elfjährige lebt jetzt bei ihrer Tante Meas Banet in der gleichen Hütte wie Chariva

»Wir können für die Aidsfamilien keine materielle Hilfe leisten«, sagt Doung Sokunt Wat, der neben buddhistischer Theologie auch buddhistische Psychologie studiert hat. »Aber wir können Schulen betreiben wie die hier am See, Beratung anbieten, über die Übertragungswege von HIV und Aids aufklären, durch beharrliche Arbeit Familienangehörigen, Nachbarn, Arbeitskollegen die Angst vor einem Menschen mit einer HIV-Infektion nehmen und so dessen Ausgrenzung vermeiden. »Wir bringen ihnen auch Meditationstechniken bei«, sagt der Mönch und fügt hinzu: »Das hilft ihnen mental und spirituell und das ist genauso wichtig wie für ein körperliches Wohlbefinden durch Medikamente und ärztliche Hilfe zu sorgen. Glücklichsein entsteht durch beide Aspekte.«

Gegründet wurde das von internationalen Hilfsorganisationen wie dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) oder Caritas Australia finanziell unterstützte SCC von Prum Thoeun. Der heute 44-Jährige ist kein Mönch, hat aber den größten Teil seiner Kindheit in einem buddhistischen Kloster verbracht. »Meine Eltern waren zu arm, um mich zur Schule zu schicken und zu ernähren. Also haben sie mich in eine Pagode gegeben. In der Zeit habe ich viel über den Buddhismus und das Leben der Mönche gelernt.« Als immer mehr Kambodschaner sich mit HIV infizierten, wollte er etwas gegen Aids in seinem Heimatland tun. »Ich habe mich gefragt: Wie kann ich das Problem lösen? Die Antwort war einfach: mit Hilfe der Mönche. Mönche werden von den Menschen respektiert und geachtet, die Menschen hören auf sie. Die Mönche bilden ein riesiges Potenzial für soziale Hilfen. Es gibt gut 5000 Pagoden in Kambodscha mit durchschnittlich 60 Mönchen. Also habe ich 1994 das SCC gegründet, um mit der Unterstützung befreundeter Mönche ein Netzwerk der Hilfe für Menschen mit Aids und deren Angehörige zu entwickeln. Damals war Aids ein sehr großes Problem in Kambodscha. Sehr viele waren infiziert, aber es gab keine Aufklärung. Die Betroffenen wurden diskriminiert und von ihren Familien verstoßen.«

1000 Mönche leisten Hilfe gegen Aids

Orientiert hat sich Prum Thoeun an der Arbeitsweise christlicher Hilfsorganisationen. »Die Christen gehen zu den Armen und helfen vor Ort. Die buddhistischen Mönche gehen zwar auch zu den Menschen, aber sie sammeln nur Spenden für sich und ihr Kloster. Es gibt zwar im Buddhismus das Konzept des Mitgefühls, aber keines, dieses in praktische soziale Hilfen umzusetzen. Vielleicht sind solche Ansätze aber auch durch die Rote-Khmer-Zeit verloren gegangenen, in der tausende Mönche ermordet wurden.« So hatte Prum Thoeun zunächst Schwierigkeiten, seine Idee in die Tat umzusetzen. »Das war eine große Herausforderung für die Mönche, für das Religionsministerium, für die ganze Gesellschaft. Die haben sich gefragt: Warum befassen sich Mönche mit diesem Schmuddelthema Aids?« Prum Thoeun hat sich durchgesetzt und heute unterstützen in Kambodscha gut eintausend Mönche die Aidsarbeit.

Es ist dem Engagement vieler Organisationen wie der buddhistischen Aidshilfe SCC zu verdanken, aber auch dem Mut der kambodschanischen Regierung, Aids nicht zu ignorieren (wie es in vielen Ländern der Welt geschehen ist), dass Kambodscha seit Jahren von der Aidshilfe der Vereinten Nationen UNAIDS als ein Paradebeispiel für den Erfolg von Prävention und Aufklärung gelobt wird.

Der Bang Koek See ist für einen Zusammenhang von Aids und Armut ein Paradebeispiel. Der See in bester Lage wird nämlich derzeit zugeschüttet. Eine Gruppe südkoreanischer und kambodschanischer Investoren mit besten Beziehungen zum Parlament und der Regierung des Landes wollen auf dem neu gewonnenen Land Shopping Malls und hochpreisige Wohnviertel bauen. Die rund 40 000 Menschen in den Armendörfern rund um den See müssen gehen. Als Kompensation sind den Familien je 8000 US-Dollar oder alternativ ein Haus versprochen worden. Aber der Mönch Doung Sokunt Wat weiß: »Die Menschen wollen nicht weg. Sie werden in Gegenden weit außerhalb Phnom Penhs umgesiedelt. Da gibt es keine Arbeit. Für die Aidskranken ist der Weg zu Ärzten und Krankenhäusern in der Stadt weit und oft unbezahlbar. Sie werden mehr noch als jetzt auf die Hilfe von NRO angewiesen sein.« Zudem sei es völlig offen, ob die Entschädigungsversprechen eingehalten werden. »Vielleicht kriegen sie nie was«, sagt Doung Sokunt Wat, der sich in seinem Internetblog kritisch mit Korruption, Gier und falscher Wirtschafts- und Entwicklungspolitik in seinem Heimatland auseinandersetzt.

Bildungschancen für die Armen

An diesem Vormittag sind gut 30 Schüler im Alter zwischen acht und zwölf Jahren zum Unterricht in der Schule des SCC am See gekommen, die kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu den öffentlichen Schulen ist. »Viele Schüler hier in Kambodscha erhalten neben der Ausbildung an den staatlichen Schulen noch Privatunterricht«, sagt der Mönch. »Aber, das können sich die Armen nicht leisten. Deshalb haben wir eine Schule für Kinder aus armen Familien gegründet, egal ob sie von Aids betroffen sind oder nicht.« Auf dem Lehrplan steht Englisch. »Ohne Englisch sind später die Chancen auf einen Beruf noch schlechter, als sie es für die Kinder aus armen Verhältnissen ohnehin schon sind«, ist sich der Mönch sicher.

Die Kinder sind begeistert über die Unterbrechung ihres Alltags durch den Besuch des ausländischen Reporters. Sie stürmen auf den Hof, verbeugen sich zur Begrüßung mit zusammengefalteten Händen und rufen »Hello, welcome«, »How are you«, »What is your name« und freuen sich wie Bolle, dass sie verstanden werden. Sie sind auch schon in der Lage, kleine Unterhaltungen auf Englisch zu führen. Ob aber ob die jungen Kambodschaner aus den Slums jemals die Chance haben, den Beruf ihrer Träume zu erlernen, ist fraglich. Chariva will Krankenschwester werden, ihre Freundin Pisay Ärztin. Aber eine Ausbildung oder gar ein Studium kosten Geld. Geld, das Charivas Mutter und Pisays Tante nicht haben.

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