Nach dem Hamam frisch wie das neue Jahr

Ich probier's immer wieder mit viel Erfolg: Gefühlsreise zurück in die Zeit, als die Mutter uns gebadet hat

  • Lesedauer: 3 Min.
Einfach »huzur« fühlen, nämlich Ruhe und Gelassenheit, wie es im Türkischen heißt: Wie könnte man besser ins neue Jahr starten? Gülay Azar (30; Foto: Christian Borrmann), Erzieherin aus Hamburg, wird das mit einem Besuch im Hamam, im türkischen Bad, zelebrieren.

ND: Was ist das Besondere am Hamam?
Azar: Dass man sich wie neu geboren fühlt, sozusagen frisch wie das neue Jahr. Die Haut wird weich und zart, wie bei einem Baby, und zugleich aber unglaublich straff.

Was ist der Trick?
Das Peeling während der Behandlung im Hamam, das machen die Masseurin oder der Masseur mit Handschuhen aus Wildseide.

Das tut nicht weh?
Aber nein, die Haut ist vorher von Wasser und Wärme weich geworden.

Ein Hamam ist also noch ein bisschen mehr als eine skandinavische Sauna?
Unbedingt! Die Osmanen haben die griechisch-römische Badekultur übernommen und weiterentwickelt. Gehüllt in ein Badetuch, türkisch: »Pestemal«, betritt man den Baderaum. Der ist schön warm, rund 38 Grad. Aus kleinen Becken schöpft man Wasser und übergießt seinen Körper. Anschließend legt man sich auf eine Art Podest in der Mitte, den »Göbektasi«, übersetzt: »Nabelstein«. Nach 15 bis 20 Minuten werden Sie auf eine der Liegen an den Wänden gebeten. Nun beginnt das Peeling, und zum Abschluss kommt noch einmal Seifenschaum.

Ein volles Programm!
Im Hamam reinigen Sie sich nicht allein körperlich, sondern auch rituell, das ist die Grundidee. Sie fühlen sich nicht bloß sauber, sondern buchstäblich r e i n. Deswegen ist das Hamam eine wahre Wohltat für die Seele. Alle Verkrampfungen lösen sich. Als ich das erste Mal im Hamam war, habe ich vor lauter Entspannung sogar ein bisschen geweint. Irgendeine innere Sperre hat sich da wohl gelöst. Ein bisschen ist das alles auch wie eine Gefühlsreise zurück in die Kindheit, als die Mutter uns gebadet hat ...

... was möglicherweise den Besuch bei Arzt oder Therapeut erspart?
Komme ich aus dem Hamam nach Hause, habe ich das Gefühl, ich kann alles schaffen. Ich habe unglaublich Energie aufgetankt, und zugleich bin ich ruhig und gelassen. Drei Stunden Hamam, die Hälfte der Zeit im Badebereich, dann Peeling, hinterher relaxen auf Kissen in orientalischer Atmosphäre, leise Musik, Tee. Da verliert man jegliches Zeitgefühl – und das wirkt lange nach.

Interessanterweise ist hier im Hamburger Hamam mit Selma Yöndem-Ekinci eine Frau die Chefin.
Auch etwa drei Viertel der Gäste sind immer Frauen. Das war schon früher türkische Tradition: Mindestens einmal im Monat haben sich die Frauen eines Ortes im Hamam getroffen. Nachrichten und Klatsch wurden ausgetauscht, und zukünftige Schwiegertöchter ausgeguckt.

Warum sind die Männer im Hamam aber heute noch deutlich unterrepräsentiert?
Frauen legen mehr Wert auf ihren Körper, und wir sind mehr darauf bedacht, ihm etwas Gutes zu tun. Außerdem habe ich beobachtet, dass Männer deutlich zurückhaltender sind, ihren Körper vor anderen Männern zu zeigen. Frauen sind da viel unbefangener.

Gibt es im Hamam eigentlich auch gemischte Tage für Frauen und Männer?
Ja, und das ist ein Angebot, das Paare gerne nutzen.

Auf jeden Fall setzt das Hamam auch einen wunderbaren Kontrapunkt gegen Stimmungsmache gegen Menschen aus dem islamischen Kulturkreis.
Ich meine, dass Hamam die deutsche Kultur bereichert. Es bringt orientalische Wärme in das raue Klima im Norden.

Fragen: René Gralla

Das Hamam in Hamburg, Feldstraße 39, Tel.: 040 / 41 35 91 - 12; Infos zu Öfnungszeiten und Preisen unter www.das-hamam.de

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