Besser, billiger, sozialer

Der Rhein-Hunsrück-Kreis nahm die Müllentsorgung wieder in eigene Hände – mit viel Erfolg

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Jahren der Privatisierungsmanie bei kommunalen Einrichtungen sind Rekommunalisierungen keine Seltenheit mehr. Und sie sind populär: Die seit einger Zeit wieder kreiseigene Müllentsorgung im rheinland-pfälzischen Rhein-Hunsrück-Kreis senkt schon zum dritten Mal die Gebühren für die Bürger. Die zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Reduzierung der Abfallgebühren für Privathaushalte hatte der Kreistag in seiner letzten Sitzung 2010 beschlossen.

Von dem Landstrich zwischen Rhein, Mosel und Nahe mit der Kreisstadt Simmern und dem Kfz-Kennzeichen SIM kennen die meisten Bundesbürger allenfalls das romantische Mittelrheintal, die Hunsrück-Autobahn A 61 oder den Zubringer zum Flughafen Hahn. Dass hier mit der Rekommunalisierung der Müllabfuhr ein wichtiger Punkt aus linken Kommunalwahlprogrammen realisiert wurde, noch ehe die LINKE in den Kreistag einzog, ist kaum bekannt.

Vor einigen Jahren kam in der Bevölkerung Kritik an hohen Gebühren für die privatisierte Müllabfuhr auf. Örtliche Kommunalpolitiker aller Parteien, allen voran CDU-Landrat Bertram Fleck, nahmen diese Kritik ernst. Vor dem Ablauf des Entsorgungsvertrags mit einem privaten Unternehmen ließen die bodenständigen Hunsrücker vorurteilsfrei auch die Vorteile eines kommunalen Müllentsorgungsbetriebs prüfen. Die realistischen Kalkulationen brachten ein klares Ergebnis: Eine Müllentsorgung in der Hand des Landkreises ist besser und billiger als ein privatisierter Betrieb.

So schritt der Landkreis zur Tat und gründete 2006 die Rhein-Hunsrück Entsorgung (RHE) als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Diese übernahm die meisten Arbeiter des bisherigen privaten Betreibers. Die RHE-Belegschaft weiß inzwischen die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zu schätzen, die auch bessere Sozialleistungen und eine Zusatz-Altersversorgung bringen.

Angriff der Rosinenpicker

Dass sich die Bürger im Landkreis mit ihrer kommunalen RHE identifizieren, ist sicher auch eine Folge von Gebührensenkungen. Weil dort kein privater Eigentümer auf Gewinnentnahme pocht, konnten die durch Einsparungen bei der Logistik erzielten Überschüsse in Millionenhöhe an die Kunden weitergegeben werden. 2007, 2009 und zuletzt Ende 2010 beschloss der Kreistag des 100 000-Einwoh- ner-Gebietes eine Senkung der Tarife für die Privathaushalte. Die RHE will sich nun auch im Bereich erneuerbarer Energieerzeugung engagieren und mit neuen Heizzentralen im Kreis Abfallholz aus der Waldwirtschaft effizient verwerten.

2008 wollte ein Privatunternehmen mit Altpapier Geschäfte machen und ließ überall im Kreis kostenlose blaue Container aufstellen. Rasch begriffen die Menschen, dass es sich um »Rosinenpickerei« handelte, denn für weniger profitablen Restmüll sollte weiterhin die RHE zuständig sein. Die RHE klärte die Bürger des Landkreises auf und lieferte statt der brüchigen Altpapiersäcke eigene Container in die Gemeinden.

»Nur durch die Geschlossenheit der Einwohner konnte dieser Angriff abgewehrt werden«, blickt Roger Mallmenn, seit 2009 Kreistagsabgeordneter der LINKEN, zurück. Die Bürger seien »mittlerweile von den Vorteilen einer kommunalen Müllentsorgung überzeugt«. Mallmenn denkt weiter und hofft, dass das Beispiel RHE »Anreiz dafür sein könnte, diese erfolgreiche Rekommunalisierung auch auf die Energie- und Wasserversorgung auszuweiten«. Weil die Erinnerung an die versuchte Rosinenpickerei im Jahre 2008 noch frisch ist, schloss sich der Rhein-Hunsrück-Kreistag Ende 2010 auch einer Resolution des Deutschen Landkreistages an, die einen aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes kritisiert. Die Regierung Merkel-Westerwelle möchte nämlich mit der Einführung einer Wertstofftonne künftig auch gewerbliche Sammlungen von Abfällen ermöglichen und somit Privaten neue Märkte öffnen.

Gegen zentrale Regelung

Die Hunsrücker jedoch kritisieren, dass der Gesetzentwurf bereits gewachsene kommunale Strukturen zur Erfassung und Verwertung der Wertstoffe ignoriere. Eine Wertstofftonne könne allenfalls in kommunaler Verantwortung eingeführt werden, zumal die Vermarktung der Wertstoffe stabile Müllgebühren gewährleiste, argumentieren die Kreistagsabgeordneten. Landrat Fleck ist überzeugt: »Wir brauchen keine bundesweite Regelung, denn wir vor Ort wissen selbst, was am vernünftigsten ist.«

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