Ohne Staat geht’s nicht

  • Harry Nick
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz, Nick, Luft & Hickel: Ohne Staat geht’s nicht

Unter den gesellschaftspolitischen Zankäpfeln ist heute der über die Rolle des Staates in der Wirtschaft einer der größten. Die Neoliberalen setzen auf »mehr Markt und weniger Staat«, die Keynesianer vor allem auf staatliche Investitionsprogramme. Die auf Stärkung der Massenkaufkraft gerichtete Politik der Linkspartei ist kompatibel mit dem Keynesschen Konzept. Bis in die 1970er Jahre, als das »Soziale« der kapitalistischen Marktwirtschaften nicht nur eine ideologische Floskel war, hatten im Westen vor allem die Keynesianer das Sagen. Die neoliberale »Konterrevolution«, deren politische Anführer Ronald Reagan und Margaret Thatcher waren, hatte durchschlagenden Erfolg. In der jüngsten Krise erlebten die Neoliberalen eine schwere Niederlage. Der Ruf der Banken nach Hilfe des Staates sei so etwas wie der Ruf der Kirchen nach einer Hilfe des Teufels, wurde ihnen zu Recht entgegen gehöhnt.

Auch im linken Lager sind die Auffassungen über die wirtschaftliche Rolle des Staates »unübersichtlich«. Anti-etatistische Stimmungen sind aus verständlichen Gründen tief verwurzelt und weit verbreitet. Sie resultieren aus den Erfahrungen mit dem Staat als Sachwalter der Konzerne, der Reichen. Und auch aus den Erfahrungen im »Staatssozialismus«. Dessen Defekte resultierten aber nicht aus staatlichem Eigentum schlechthin, sondern aus unzulänglicher Demokratisierung der Aneignungsprozesse. Wenn in den heutigen Gesellschaften reale Verbesserungen der Lebenslage der Arbeitenden und sozial Benachteiligten erreicht werden sollen, geht das nicht ohne Einflussnahme auf staatliches Handeln.

Einfach »am Staat vorbei« kann auch linke Politik nicht erfolgreich sein. Und sie kann nicht allein auf Verstaatlichung, auf die Eigentumsform, sondern muss im Marxschen Sinne auf die Gestaltung der gesamten »Aneignungsweise« gerichtet sein. Wenn dies demokratisch und sozial gerecht werden soll, verlangt dies eine entsprechende Ausgestaltung aller wirtschaftlichen und sozialen Funktionen des Staates. Es geht um Einfluss auf die Ordnungsfunktion des Staates, auf die Regeln des Wirtschaftens über Unternehmensverfassung und Mitbestimmungsrecht, das Wettbewerbs-, Vertragsrecht u. a. Einfluss genommen werden muss auf die Schutzfunktion des Staates, die er über Verbote und Gebote im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz wahrzunehmen und zu kontrollieren hat. Und er hat eine Umverteilungsfunktion, die Pflicht, allen Bürgern ein Leben in Würde zu gewährleisten. Und er hat wichtige Funktionen gesamtwirtschaftlicher Steuerung.

Elementare Voraussetzung eines wirtschaftlich erfolgreichen Staates ist seine Befreiung aus den Klauen der Konzerne. Banken, Stromversorgung, Rüstungsbetriebe, die öffentliche Daseinsvorsorge gehören in öffentliches Eigentum. Voraussetzung hierfür ist auch, die neoliberale Mär von der angeblichen Überlegenheit privater vor gesellschaftlichen, gemeinnützigen Unternehmen zurückzuweisen. Selten, aber manchmal doch ist in einem Standardwerk der etablierten Wirtschaftswissenschaften die Wahrheit zu finden: »Wenn man die Bundeskonzerne mit privaten Firmen vergleicht, die auf denselben Märkten tätig sind, so lässt sich bei Betrachtung der Konzernergebnisse bislang keine systematische Über- oder Unterlegenheit der staatlichen Unternehmen feststellen.« (Andersen/Bahro/Grosser/Lange: Der Staat in der Wirtschaft der Bundesrepublik, 1985). In anderen Büchern muss man nach Auskünften über die Vorteile öffentlichen Eigentums allerdings suchen.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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