Trend zum Tand

Vom Solar-Milchschäumer bis zum Solar-Buddha – Sonnenstrom wird als schick empfunden

  • Lesedauer: 4 Min.
Wie ein Sahnehäubchen auf einem Misthaufen: Auf jeden überflüssigen Tand muss eine Solarzelle geklatscht werden. Ein notwendigerweise unvollständiger Überblick über die nutzlose Nutzung der Photovoltaik.
Solar-Buddha: Erleuchtung ohne Meditation!
Solar-Buddha: Erleuchtung ohne Meditation!

Wie war das doch gleich mit dem historischen Buddha? Wochen lang musste er angestrengt unter seinem Bodhi-Baum meditieren, um die Erleuchtung zu erlangen. Das war noch echte Arbeit! Heute sitzt sein Nachfolger faul in der Sonne. Und erreicht doch das selbe Ziel: Er wird erleuchtet! Das verdankt er eine Kombination aus einer Solarzelle, die tagsüber einen Akku speist und einer LED-Lampe, die bei Dunkelheit anspringt.

Ich entdeckte den Solar-Buddha – offizieller Produktname: »Buddha mit eingebautem LED-Strahler« – vor zwei Jahren in einem Ramschladen im Sauerland, wo er zum Preis von 16,95 Euro angeboten wurde. Seitdem gönnte die wissenschaftlich-technische Revolution sich keine Pause: Mittlerweile gibt es sogar Solar-Schneemänner, Solarrucksäcke und solare LED-Lichterschläuche (»für eine zauberhafte Stimmung im Garten, der Terrasse oder im Haus«).

Kalter Kaffee – weil seit Jahren im Handel – ist der Solar-Milchschäumer für all die Menschen, die ihren Latte macchiato, Caffè Latte, Café au lait oder auch nur ihren Milchkaffee gerne selber brühen. Aber irgendwie auch Photovoltaisches hipp finden.

Verkauft werden heute Solar-Heuschrecken, die sich dank Sonnenkraft schütteln. Und Solar-Helikopter, die nicht fliegen können, aber die Rotoren rotieren lassen. Aus dem reichhaltigen Angebot heraus ragend: die »Solar-Windkraftanlage«. Bei der wird mit einer Solarzelle ein »Windrad« angetrieben – das ganze schaut dann aus wie das Windkraftwerk auf Bauer Erwins Feld. Natürlich nur en miniatur.

Spätestens jetzt darf wohl von einem Trend sprechen: Auf jeden überflüssigen Tand muss eine Solarzelle geklatscht werden – wie ein Sahnehäubchen auf einen Misthaufen.

Nein, ich bin kein Gegner regenerativer Energien, das gewiss nicht. Und auch Kleingeräte sollen in den Genuss des Sonnenstroms kommen. Das kann ja durchaus Sinn ergeben. Immerhin – Kleinvieh macht auch Mist! – wird rund ein Drittel aller Elektrizität mittlerweile von Kleingeräten verschlungen. Und niemand verspürt Lust, ständig Batterien auszutauschen oder – wo war doch gleich das Kabel und welches ist das richtige? – Geräte permanent an die Steckdose anzuschließen. Wenn denn gerade überhaupt eine in Reichweite ist.

Und manchmal erfreut uns ein Extra-Nutzen. Man denke nur an meine Armbanduhr, die ihre Solarzelle für eine weitere nette Funktion nutzt: Sie misst die Lichtverhältnisse. Dämmert es und macht man die typische Armbewegung, die dem Chronometer signalisiert, dass ihr Besitzer gerne die Uhrzeit ablesen möchte, dann wird automatisch das Display erhellt. Schick, fürwahr! Leider trage ich die Uhr meist zur Innenseite das Handgelenks, also gleichsam falsch herum, um die Zeit dezent ablesen zu können, ohne Gesprächspartner zu pikieren. Entweder muss ich auf die praktische Funktion verzichten. Oder aber mit dem Arm wirbeln – und das fiele dann doch auf.

Natürlich besitze ich auch ein Solarradio, nämlich für die Beschallung der Küche. Der Klang ist eher bratzig, was vielen Songs aber ganz gut tut – Punk-Sound adelt die meisten aktuellen »Hits«. Leider wandelt die Solarzelle im Winter das wenige Licht nicht in eine hinreichende Menge Elektrizität um. Jedenfalls nicht in angemessenen Zeiträumen. Auch die Alternative ist keine wirkliche: Ich könnte das Gerät mittels einer Kurbel aufladen, was jedoch anstrengt. Also habe ich das Radio neulich heimlich an der Steckdose aufgeladen. Mein Trost: aus der fließt auch Ökostrom. Und der nächste Sommer kommt bestimmt!

Vor rund einem halben Jahrzehnt kam ich nicht umhin, ein Solar-Käppi mit eingebautem Ventilator zu erwerben. Es genügte nicht meinen ästhetischen Ansprüchen – oder anders formuliert: Es sah in natura auch nicht weniger dämlich aus als auf den Fotos im Internet. Diese Farben, diese Form – im Alltag konnte ich es unmöglich tragen, ohne mich unmöglich zu machen. Doch anlässlich einer spätsommerlichen Radtour setzte ich die Kopfbedeckung dann doch mal auf. Dem Gespött folgte großes Hallo: Je stärker die Sonne schien – je mehr ich also eines Ventilators bedurfte – desto mehr Luft wedelten die Plastikrotoren mir auf die schweißbedrohte Stirn. Neidgefühle entstanden, zumal ich hinsichtlich des Ventilatoren Wirkung maßlos übertrieb.

Extrem gerne besäße ich ein Solarladegerät für mein Smartphone. Denn das wäre ausnahmsweise mal wirklich sinnvoll. Solche Ladegeräte gibt es zwar in rauen Mengen und allen Preisklassen. Doch wirklich unabhängig vom Stromnetz machen sie dich nicht. Das ergab die Recherche diverser – einhelliger – Kundenmeinungen. Zu viel Zeit vergeht, bis der Akku des Laders auch nur zu einem Viertel aufgeladen ist, elend lange dauert es dann, bis der E-Saft ans Handy übertragen ist.

Schade. Denn: Als Viel-zu-viel-Nutzer bin ich ständig von leergesaugten Akkus bedroht. Denn ich bin auch Teil jenes anderen Mega-Trends, den irgendwann neulich irgendwer irgendwo beschrieb: Menschen arbeiten immer weniger am Schreibtisch und immer öfter vom Sofa aus. Gut, dass ein heller Kopf eine Steckdose neben unsere Couch gesetzt hat.

Das nötige Verlängerungskabel erwarb ich letzten Mittwoch. Und da sah ich sie: Die Solarlampe, die ausschaut wie eine Petroleum-Funzel. Alle mal herhören: Der solare Siegeszug ist nicht zu stoppen!

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