Nährboden gegen die Linke

  • Gisela Sonnenburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Totalitarismusforschung bereitet seit Jahren Maßnahmen wie die Extremismusklausel zur Ausschaltung der Linken vor.

Wenn heute Nacht in Berlin-Kreuzberg ein junger Mann aus Wut ein Auto anzündet, so ist das für die Bundesregierung eine »linksextremistische« Tat. Wobei die zuständige Jugend- und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gern darauf verweist, dass man ja eigentlich gar nicht wisse, wer oder was alles »linksextremistisch« sei. »Deutschenfeindliche Gewalt« ortete Schröder bei Migranten schon vor mehr als zwei Jahren. Nicht etwa als Reaktion auf Ausländerhass. Sondern: als Extremismus. Hingegen wird als »Privatstreit« gewertet, wenn ein Besoffener seinen ausländischen Kumpel zusammenschlägt oder eine Migrantin von Deutschen vergewaltigt wird. Das Messen mit zweierlei Maß hat Tradition.

Verbeamtete Wissenschaftler mühen sich seit Jahrzehnten, die Begriffe »rechts« und »links« einem Verwechslungsmuster zu unterziehen. Rekordverdächtig war Ernst Nolte, der erst mit der »Faschismus-Theorie« irritierte und ab 1986 den »Historikerstreit« anzettelte. Er entlastete Deutschland, indem er den italienischen Faschismus von Mussolini und die französischen rechtsnationalen Kräfte mit dem Hitlerismus verglich. Zumal Antisemitismus und Rassismus laut Nolte keine Merkmale des Faschismus seien, dafür aber Antimarxismus und Nationalismus.

Wo die wahre Gefahr lauert

In die Riege der Gleichsetzer gehört auch der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse, der an einem positiven Begriff von »Nationalismus« bastelt und seit 1989 – mit dem Historiker Uwe Backes von der TU Dresden – das regelmäßig mit Seitenhieben nach links aufwartende »Jahrbuch Extremismus & Demokratie« herausgibt. In dessen jüngster Ausgabe behauptet Jesse, die NPD sei eine »harte Form des Extremismus«, die Linke eine »weiche Form«. Es geht ihm mit »hart« und »weich« nicht ums Eierkochen, sondern um die Vergleichbarkeit von Rechts und Links. Jesses dubioses Fazit: Die rechte »harte« Gewalt sei weniger gefährlich als die »weiche« linke, da besser erkennbar.

Dass »Die LINKE« nicht wie die NPD gesellschaftlich geächtet wird, regt Jesse seit Jahren auf. Und Kristina Schröder gilt als sein geistiges Ziehkind. Im Januar 2010 veranschlagte ihr Familienministerium denn auch zwei Millionen Euro für neuartige Projekte. Die sollen sich nicht gegen Rechts, sondern »gegen Linksextremismus und Islamismus« richten. Damit führte Schröder den staatlich finanzierten Kampf gegen die Linken ein, ohne »linksextrem« von »antifaschistisch« auch nur ansatzweise zu trennen.

Zwecks Steuerung der Fördergelder diktiert ihr Ressort zudem vorsorglich eine Anti-Extremismus-Klausel: Aufklärungs- und Präventionsprojekte gegen Neonazis müssen nun unterschreiben, dass sie ihre Mitarbeiter auf deren Verfassungstreue überprüfen. Außer Sachsen, der wissenschaftlichen Heimat von Jesse und Backes, will dabei kein Bundesland mitmachen. Denn praktisch bedeutet die Klausel: Mitglieder in demokratischen linken Parteien, die professionell gegen Rechtsextreme arbeiten, müssen Angst um ihren Job und ihre Mittel haben. Die maßnahme erinnert an den »Radikalen-Erlass« der alten BRD von 1972, als Kommunisten nicht mehr in den öffentlichen Dienst, schon gar nicht ins Beamtentum durften. Die Anti-Extremismus-Klausel könnte ein Vorspiel zu solcher Diskriminierung sein.

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