Anlaufstellen statt Blockwart

Niedersachsens Innenminister: Verdächtige Islamisten melden

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Während der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sinniert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, denkt sein Amtskollege in Niedersachsen gleich ganz praktisch: Uwe Schünemann (CDU) wünscht sich »Anlaufstellen«, bei denen »verdächtige« Islamisten gemeldet werden können.

Brave NS-Bürger, die zwischen 1933 und 1945 etwas Verdächtiges sahen oder hörten, brauchten nicht lange zu überlegen, wem sie ihre Beobachtung mitteilen sollten. Man ging zum Blockwart! Pflichtbewusst notierte dieser, wenn jemand einem Feindsender gelauscht, etwas Wehrkraftzersetzendes geäußert oder gar Juden versteckt hatte. Alles Weitere erledigte dann die Gestapo.

Wem aber soll der Bundesbürger Meldung machen, wenn Nachbar Mahmud oder Kollege Samir etwas sagt, das irgendwie islamisch-extremistisch anmutet? Wie so oft, wenn es um Islamisten geht, weiß Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann Rat. Gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung« plädierte er für »feste Anlaufstellen in allen deutschen Kommunen, an die sich Moscheevereine, Eltern, Lehrer oder Nachbarn mit Hinweisen auf mögliche Extremisten wenden können«.

Ansprechpartner für Bürger, die etwas melden möchten, könnten nach Schünemanns Ansicht die kommunalen Präventionsräte sein. Besonders verpflichtet, »mögliche Fanatiker« namentlich zu machen, seien die Moschee-Gemeinden, meint der Minister. Diese sollten mit den Behörden eine »Sicherheitspartnerschaft« eingehen. Zum Anlass für seine jüngstenVorschläge hatte Schünemann die tödlichen Schüsse am Frankfurter Flughafen genommen, zu denen der mutmaßliche Täter laut Staatsanwaltschaft durch islamistische Internet-Seiten veranlasst wurde.

Der Innenexperte der SPD-Fraktion im Landtag, Heiner Bartling, hält Appelle an die Moschee-Gemeinden durchaus für ratsam: Diese sollten selbst darauf achten, dass es in ihren Reihen keine extremistischen Aufrufe gibt. Was die SPD jedoch keinesfalls unterstützen werde, seien die von Schünemann ersonnenen Anlaufstellen. »Durch so etwas wird das Denunziantentum gefördert«, betont der Politiker, der im Kabinett Schröder selbst Innenminister in Niedersachsen war. Darüber hinaus sei an die finanzielle Belastung zu denken, die den Gemeinden durch das Einrichten der Anlaufstellen entstünde. »Schünemann will den Kommunen wieder einmal Aufgaben zuweisen, für die sie gar nicht ausgestattet sind«, so Bartling.

Die kommunalen Präventionsräte seien nicht in der Lage, als »Meldestellen« zu fungieren, bekräftigt auch Filiz Polat, integrationspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen. Durch das Schaffen solcher Stellen würden Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber den islamischen Mitbürgern verstärkt. Schünemanns neueste Ideen schürten – wie schon seine Moschee-Kontrollen – den Generalverdacht gegen Muslime.

»Wenn man diese Vorschläge liest, stellt sich die Frage, wer der wirkliche Hassprediger ist.« So kommentierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, Schünemanns Einfälle gegenüber ND. Der Minister versuche auf seine altbewährte Art und Weise, Gruppen von Menschen zu spalten, um sie zu beherrschen. Er säe Angst und Hass und male den Teufel an die Wand. Es sei ja immer so, dass bestimmte Sanktionen und Einschränkungen bei kleineren Gruppen ausprobiert würden – wie etwa bei der Residenzpflicht für Flüchtlinge, die jetzt auch für Hartz-IV-Leute gelte. »Vielleicht«, bemerkt Pia Zimmermann, »gibt es demnächst Anlaufstellen, bei denen hinterlassen werden kann, wenn ein LINKER sich nicht ›verfassungstreu‹ verhält.«

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