Augusts Schlafgemach muss warten

Dresdens Residenzschloss ist Sachsens größte Kulturbaustelle. Jetzt wird der Ausbau gebremst

  • Simona Block, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Freistaat Sachsen spart und hat auch die Gelder für den Innenausbau des Dresdner Schlosses stark reduziert. Dabei liegen die Pläne für das Paradegeschoss längst vor. Schon die äußere Wiederherstellung dauerte zehn Jahre länger als geplant.

Dresden. Fürstlicher Prunk und königliche Pracht: Auf dem Papier und virtuell sind die Paraderäume von Sachsens Barockfürsten August der Starke (1670-1733) im Dresdner Residenzschloss längst rekonstruiert. In der Realität aber harren die Gemächer im Westflügel nackt der Dinge. Vorerst bleibt das so, denn der Freistaat spart für die Zukunft. Nach jahrelanger Verschonung trifft es nun auch die größte Kulturbaustelle im Land. Eigentlich sollten das Museumszentrum der Staatlichen Kunstsammlungen 2013 und etwa zwei Jahre später die Paradesuite vollendet sein. Wann nun Besucher durch Audienz- und Schlafsaal wandeln können, ist offen.

Zwei Drittel weniger Geld

Das Geld wurde im Vergleich zu vergangenen Jahren um zwei Drittel reduziert. 2011 fließen nur sechs Millionen Euro, 2012 vier Millionen Euro in Riesensaal, Sgraffito-Fassaden und Schlosskapelle. Dort wird das Schlingrippengewölbe eingebaut, »ein Netz aus Sandstein mit sechsteiligen Blütensternen«, schwärmt Ludwig Coulin vom Immobilien- und Baumanagement. »Andere Bereiche sind zurückgestellt«, sagt Stephan Gößl vom Finanzministerium. Nordflügel, die Paraderäume im Westflügel, die historische Wiederherstellung des Kleinen Ballsaals und der museale Ausbau des Georgenbaus müssen warten.

Die aus dem 16. Jahrhundert stammende und 1945 zerstörte Residenz sächsischer Kurfürsten und Könige wird seit 1985 wiederhergestellt. Bisher wurden das Grüne Gewölbe, Kupferstich- sowie Münzkabinett, die Türckische Cammer mit dem orientalischen Bestand der Rüstkammer und die Fürstengalerie eingerichtet. Durch die Überdachung des Kleinen Schlosshofs entstand ein Besucherfoyer. Seit 1991 flossen rund 250 Millionen Euro ins Schloss. Nach derzeitigen Berechnungen kostet der Wiederaufbau insgesamt 337 Millionen Euro.

Schon die äußere Wiederherstellung dauerte zehn Jahre länger als geplant. Den Besuchern indes fällt kaum auf, dass erst 40 Prozent der Gesamtfläche von den Museen genutzt werden können. »60 Prozent fehlen noch«, sagt Schlossdirektor Dirk Syndram. Während das Historische Grüne Gewölbe als barockes Schatzkammermuseum einen Vorgeschmack auf die Paradegemächer gibt, haben Neues Grünes Gewölbe und Kupferstichkabinett moderne Ausstellungsräume. Dieser Mix ist auch bei kommenden Präsentationen wie dem Riesensaal geplant.

»Der seit mehr als 200 Jahren nicht sichtbare Raum entsteht zwar in den Originalausmaßen wieder, die Ausstellungsarchitektur aber ist modern«, sagt Baudirektor Coulin. Stuckateure überziehen gerade das einem Kreissegment entsprechende Tonnengewölbe an der Decke mit Stuckbändern in Rauten. »Architekt Peter Kulka hat diese Renaissance-Form wiederentdeckt und neu interpretiert.« In dem 60 mal 13 Meter messenden Raum soll ab 2013 das Turnierwesen dargestellt werden.

Vor den Fenstern zum Innenhof fallen gerade die Gerüste. An der Ostflügelfassade tummeln sich, wie zur Zeit von Kurfürst Moritz (1521-1553), Figuren aus dem Alten Testament und der römischen Geschichte zwischen den Titeln der Wettiner. Sie wurden in Sgraffito aufgebracht, einer Technik des 16. Jahrhunderts, bei der die Motive aus weißem Kalk auf dunklem Putz gekratzt werden. Bis auf ein Stück Nordfassade und drei Wendelsteine ist der Große Schlosshof wieder derart geschmückt. Der Vermerk »Reconstructus est MCMLXXXVI – MMXII« gibt vor, bis wann auch sie derart verziert werden (1986-2012).

Noch in diesem Jahrzehnt?

Großer Ballsaal, Turmzimmer und Propositionssaal bleiben indes vorerst unausgestattet. In moderner Präsentation sollen dort später die fürstlich-königliche Jagd, höfische Feste sowie Maskeraden des 16. bis 18. Jahrhunderts dargestellt werden. »Für die Ausmalung der Paraderäume ist die Verzögerung gar nicht schlecht, um noch an der Qualität zu feilen«, sagt Coulin. Für andere Bereiche drohten jedoch Kunstfertigkeiten und Handwerksberufe auszusterben. »Weltweit gibt es nur noch einen Webstuhl in Genua, auf dem der changierende Samt des Barock gefertigt werden kann.« Gerade die vorhandenen Originale seien aber das Besondere in Dresden.

Mit jedem fertigen Raum wachse die Attraktivität des Schlosses, sagt Syndram. Dessen Potenzial liege bei zwei Millionen Besuchern im Jahr, 2010 waren es schon rund 1,2 Millionen. Investitionen in die geerbten Kunstschätze seien auch Wirtschaftsförderung ersten Ranges, vergleichbar mit der Ansiedlung großer Werke. »Wir sind in Sachsen viel zu arm, um Geld in dieser Art zu verschwenden.« Alle geplanten Maßnahmen werden umgesetzt, versichert er, »nur etwas langsamer«. Die Schlossvollendung hänge von der Haushaltsituation ab. »Ich hoffe, es wird noch dieses Jahrzehnt«, sagt Syndram.

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