Spekulationen schießen ins Kraut

Sondierungsgespräche in Rheinland-Pfalz / Schlüsselministerien für Grüne?

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Sozialdemokraten und Grüne in Rheinland-Pfalz starten die Sondierungen für eine Koalition. Als Fraktionsvorsitzende der CDU und damit Oppositionsführerin wird Rot-Grün Julia Klöckner gegenüberstehen.

Drei Tage nach der rheinland-pfälzischen Landtagswahl sind nun ersten Weichen für Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen gestellt. So kam es am Mittwochnachmittag in der Landeshauptstadt Mainz zur ersten offiziellen Begegnung zwischen ranghohen Vertretern beider Parteien. Da sich der neu gewählte Landtag erst am 18. Mai konstituiert, haben beide Parteien reichlich Zeit für Sondierungen und Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag und insbesondere die Klärung bisheriger größerer Differenzen. Für Anfang Mai sind Landesparteitage geplant, die endgültig Rückendeckung für die neue Regierung geben könnten.

Während die neue CDU-Landtagsfraktion am Mittwoch die Spitzenkandidatin und Landeschefin der Partei, Julia Klöckner, zu ihrer neuen Vorsitzenden wählte, stand die Wahl einer neuen Spitze bei der Sitzung der SPD-Fraktion dem Vernehmen nach noch nicht auf der Tagesordnung. Damit verdichten sich Hinweise darauf, dass der bisherige Wirtschaftsminister in der amtierenden SPD-Alleinregierung, Hendrik Hering, neuer SPD-Fraktionschef werden könnte. Hering wäre damit neben dem alten und vermutlich auch neuen Regierungschef Kurt Beck starker Mann in der Partei. Und potenzieller Nachfolger des Ministerpräsidenten, falls der durch den Zehn-Prozent-Einbruch seiner Partei angeschlagene 62-jährige Beck sich vor Ablauf der fünfjährigen Legislaturperiode zum Rückzug entschließen sollte.

Die Sozialdemokraten müssen sich daran gewöhnen, dass die mit dem 15 Prozent Wahlergebnis vor Selbstbewusstsein strotzenden Grünen Schlüsselministerien für sich reklamieren. Im politischen Mainz schießen schon Spekulationen über mögliche Anwärter auf Ministerposten ins Kraut. Im Zentrum der Spekulationen stehen dabei die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Eveline Lemke und Daniel Köbler ebenso wie mehrere Bundestagsabgeordnete und hauptamtliche Kommunalpolitiker. So wurden Lemke und Köbler am Mittwoch vorerst nur zu den vorläufigen Chefs der Fraktion gewählt. Ein Sprecher betonte: »Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Köbler und Lemke nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen doch noch in ein Ministeramt wechseln.« Der endgültige Fraktionsvorsitz werde bis zur Konstituierung des Landtags geklärt.

Der kometenhaft anmutende Aufstieg der Grünen von der außerparlamentarischen Opposition direkt in die Regierung ist längst nicht nur der Atomdebatte geschuldet, sondern zeichnete sich bereits bei den Kommunalwahlen im Sommer 2009 ab. Schon damals kamen die Grünen in der Landeshauptstadt auf 21,9 Prozent. Dieses Ergebnis steigerten sie am Sonntag dann auf 26,1 Prozent. Der Zuwachs im Jahre 2009 hatte viel mit dem Widerstand gegen die Pläne für ein örtliches Kohlekraftwerk auf einer Rheininsel zu tun, gegen die sich in der Region Mainz-Wiesbaden jahrelang starker Protest geregt hatte. Die Kraftwerkspläne wurden inzwischen auf Eis gelegt und die Grünen sind nun zusammen mit SPD und FDP Teil einer »Ampelkoalition« im Mainzer Rathaus. Diese lokale Kooperation könnte – abgesehen von den aus dem Landtag katapultierten Liberalen – nun durchaus ein Prototyp und Vorzeigemodell für die Landesebene sein.

Ein Knackpunkt in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen könnte das ehrgeizige Projekt einer Hochmoselbrücke in der Nähe von Wittlich werden. Während Beck und Hering seit Jahren auf dieses Bauwerk hinarbeiten, haben die Grünen als Kritiker des Projekts in dieser konservativen Moselregion überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Skeptiker befürchten nun, dass sie in dieser Frage dem Drängen der SPD nachgeben und sich auf einen Kuhhandel einlassen könnten. Die Brückengegner jedoch wollen nun in der Landeshauptstadt Taten sehen und machen mit einer Petition auf der Website www.hochmosel.de Druck auf den Landtag. Ein Baustopp wie beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sei überfällig, fordert Elisabeth Reis von der Bürgerinitiative gegen den Hochmoselübergang.

Das Argument, dass bereits 75 Millionen für den Zugang zur Brücke verbaut seien, lässt sie nicht gelten. Schließlich könnten einzelne Trassen auch ohne die eigentliche, noch nicht in Angriff genommene Hochbrücke für den lokalen Verkehr genutzt werden.

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