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Schaar knöpft sich Regierung vor

Der Bundesdatenschutzbeauftragte zieht eine äußerst kritische Zwischenbilanz

Besseren Datenschutz für die Bürger hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung angekündigt. Doch bei der Umsetzung sieht es mau aus, kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte.

Angefangen hat dieser Berichtszeitraum mit großen Datenschutzskandalen etwa bei der Deutschen Bahn und Lidl. Die Bahn habe die Mängel inzwischen beseitigt, sagte Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar am Dienstag. Doch das war weniger als Lob für die Bahn denn als Kritik an der Bundesregierung gemeint. Darüber hinaus, erklärte er kurz danach, seien in seinem Bericht für die Jahre 2009 und 2010 nur wenige Ergebnisse vermerkt. »Viele Datenschutzvorhaben wurden angekündigt, sehr wenig auf den Weg gebracht und gar nichts abgeschlossen«, mahnte Schaar die Koalition, Tempo zu machen.

Das seit vielen Jahren geforderte Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor Überwachung am Arbeitsplatz wird zwar inzwischen im Bundestag beraten, begrenzt aber nicht nur, sondern weitet bespielsweise die offene Videoüberwachung »exzessiv« aus, monierte der Datenschützer. Andere Vorhaben hätten es nicht einmal ins Entwurfsstadium gebracht. So sei es in Sachen Datenschutz im Internet bei der Ankündigung von »roten Linien« geblieben. Schaar ist sich nicht sicher, ob die Regierung das Gesetz überhaupt noch verfolgt.

»Rote Linien« fehlen aber nicht nur der Wirtschaft, sondern auch dem Staat. Mit Unverständnis reagierte der Datenschutzbeauftragte auf Forderungen aus Koalitionskreisen, die Anti-Terror-Gesetze ohne eine unabhängige Überprüfung zu verlängern. Es müsse ausgewertet werden, ob die beabsichtigten Ziele erreicht wurden und die Mittel im Verhältnis zum Grundrechtseingriff angemessen sind, betonte er. Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung unterstützte Schaar die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die anders als die Union Telekommunikationsdaten nur bei Verdacht »einfrieren« will. Dies sei zielgerichteter als die generelle Speicherung für sechs Monate.

Darüber hinaus forderte Schaar für sich mehr Unabhängigkeit. Nicht die Regierung dürfe entscheiden, wem der Datenschutzbeauftragte auf die Füße tritt. Gerade bei der Telekommunikation explodierten die Beschwerden von Bürgern. Er könne aber bei der Bundesnetzagentur, die dem Wirtschaftsressort unterstellt ist, nur »anklopfen« und »überzeugen« und habe ansonsten nichts in der Hand. Die Regierung habe sich einer Stärkung seines Hauses jedoch bislang verweigert.

Im CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl hat der Datenschützer wohl nicht erst seit gestern keinen Freund. »Der soll sich mal nicht so aufmanteln«, wies dieser die Kritik in der »Mitteldeutschen Zeitung« scharf zurück. Beim Beschäftigtendatenschutz gebe es ebenso Bewegung wie bei der von Schaar geforderten Stiftung Datenschutz. »Still sein! Mund halten!«, sagte Uhl an die Adresse des Datenschutzbeauftragten. Bestätigung erhält Schaar dagegen von den Bürgern, die sich von Jahr zu Jahr häufiger an ihn wenden. Sie seien nicht damit einverstanden, in ihrem alltäglichen Verhalten registriert und überwacht zu werden, bewertet Schaar Tausende Eingaben und Anfragen.

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