Lichter bleiben auch ohne AKW an

Universität Flensburg und Deutsche Umwelthilfe legen Gutachten vor

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Für einen Atomausstieg in Deutschland bis zum Jahresende 2014 ist kein Netzausbau erforderlich. Zu diesem Ergebnis kommt das Gutachten »Atomausstieg und regionale Versorgungssicherheit« der Universität Flensburg, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Die Szenarien der vergangenen Wochen zum schnelleren Atomausstieg sind vielfältig: In Süddeutschland gehen die Lichter aus, die Strompreise steigen und Deutschland muss Atomstrom importieren. All diese Argumente für eine Laufzeitverlängerung hat der Wirtschaftswissenschaftler Olav Hohmeyer, der auch Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) ist, unter die Lupe genommen.

Sein Fazit: Zwar sei der Netzausbau »absolut notwendig, um den Übergang in das regenerative Zeitalter bis 2050 oder sogar bis 2030 zu schaffen, aber unwesentlich für einen schnellen Atomausstieg«. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssten lediglich die genehmigten und schon im Bau befindlichen Gas- und Kohlekraftwerke fertiggestellt werden.

Das gelte auch für die regionale Versorgung. Gerade die süddeutschen Länder haben bisher stark auf Atomkraftwerke gesetzt. Bei einem Ausstieg bis 2015 sei es aber möglich, alle Regionen ausreichend mit Strom zu versorgen. Denn zwischen den Regionen sei es weder erforderlich noch effizient, dass sich jede von ihnen zu jedem Zeitpunkt zu 100 Prozent selber versorge. Wichtig sei ein Ausgleich zwischen den Regionen und der sei mit den bisherigen Netzkapazitäten machbar. »Nirgendwo in Deutschland wird das Licht ausgehen«, schlussfolgert Hohmeyer.

Kohle und Gas sind in diesem Szenario nur noch Brückentechnologien. Zwar würde der CO2-Ausstoß zunächst für wenige Jahre leicht ansteigen, aber dann »im neuen energiepolitischen Rahmen wegen des beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energiekapazitäten steiler absinken«, so Hohmeyer. Hierfür sei allerdings ein »erheblicher Ausbau« der Hochspannungsnetze zwischen Nord- und Süddeutschland sowie der Speicherkapazitäten notwendig.

Untersucht hat Hohmeyer auch die Entwicklung der Strompreise. Der Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft widersprach anhand realer Börsendaten der Behauptung, die Strompreise seien nach der Abschaltung der AKW in die Höhe geschnellt. Derlei Zahlen hätten sich auf Spekulationen bezogen, nicht auf reale Preise. Auch der zeitweise Import von (Atom-)Strom aus Tschechien und Frankreich sei nicht »auf Strommangel zurückzuführen, sondern auf vorübergehend günstigere Stromhandelspreise in diesen Ländern«.

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Atomausstieg hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) untersucht. DUH-Geschäftsführer Rainer Baake hält diesen für möglich, ohne dass die im Grundgesetz geschützten Eigentumsrechte der Kraftwerksbetreiber verletzt würden. Spätestens nach 27 Jahren hätten sich die Investitionen in die Anlagen nicht nur amortisiert, sondern »einen angemessenen Gewinn« abgeworfen, so Baake. Die DUH schlägt daher »eine Regelung auf der Grundlage von Kalenderjahren statt Reststrommengen« vor. Demnach würde als letztes AKW der Reaktor Neckarwestheim 2 am 15. April 2017 vom Netz gehen. Konsequenz wäre auch, dass keines der durch das Moratorium abgeschalteten AKW wieder ans Netz gehen würde. Rechtssicher und technisch sowie volkswirtschaftlich möglich sei »die Zeit reif für einen klaren Schnitt«, fordert Baake.

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