Teurer Planschspaß

Auch in Thüringen hat die Freibadsaison begonnen. Viele Kommunen haben damit Probleme

  • Ulrike Hendan, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Die meisten Thüringer Freibäder öffneten am Wochenende für die ersten, abgehärteten Schwimmer. Dass es überhaupt einen Ort zum Erfrischen gibt, ist in manchen Orten alles andere als selbstverständlich.

Eisenach/Mühlhausen. Die Freibad-Saison hat begonnen: Von Eisenach bis Gera, von Artern bis Meiningen wurden die Becken für das offizielle Anbaden am Sonntag geschrubbt, gefüllt und angeheizt. Doch die 170 Freibäder in Thüringen sind ein teurer Spaß, der Kommunalpolitiker verzweifeln lassen kann. Während es in Eisenach und Erfurt bereits sanierte Schwimmoasen gibt, kämpfen Kommunen wie Hirschberg an der Saale oder Mühlhausen um ihre Bäder. In der westthüringischen Kreisstadt fällt die Saison das zweite Jahr in Folge aus. »Unser Freibad ist von 1956 und baufällig«, erklärt der Leiter des Amtes für Hochbau und Gebäudeverwaltung, Matthias Gliemann. Daher bleibt es zu.

Fazit: Mühlhausen braucht ein neues Freibad. Der Stadtrat hat dafür Investitionen in Höhe von 4,5 Millionen Euro vorgesehen. Ohne Fördermittel des Landes ist der Neubau kaum zu stemmen. »Wir rechnen damit, dass frühestens im Juli 2012 eine Entscheidung über die finanzielle Unterstützung fällt«, sagt Gliemann. Baubeginn könnte ein Jahr später sein. Die ersten Schwimmer könnten dann erst 2014 ihre Bahnen ziehen. Nach diesem Zeitplan müssten die Mühlhäuser Badegäste in vier Sommern in die umliegenden Orte pilgern.

200 000 Euro Defizit

Doch ein neues Bad will nicht nur gebaut, sondern auch betrieben sein. Der Geschäftsführer der Sportbad Eisenach GmbH, Jens Hartlep, macht eine ernüchternde Rechnung auf: »Die Erlöse, die wir mit dem Freibad in einem Geschäftsjahr erzielen, liegen bei rund 100 000 Euro. Die Kosten betragen 300 000 Euro.«

Die Wassertemperatur in den drei beheizten Becken liegt bei 23 Grad. Bademeister achten am 50-Meter-, am Freizeit- und am Planschbecken auf Sicherheit. Rutschen, Wasserpilz und Sprungtürme müssen gepflegt werden, die Liegewiesen ebenfalls. Geöffnet hatte das »Aquaplex« schon etwa eine Woche vor dem landesweiten Saisonstart.

Im Haushalt der klammen Stadt Eisenach tauchten die Investitions- und Betriebskosten aber nicht auf, sagt Hartlep: Der Schwimmbad-Komplex gehört einer kommunalen Tochtergesellschaft. Und deren Verluste würden ausgeglichen, indem aus der Eisenacher Versorgungs-Betriebe GmbH Gewinne in das Bäderunternehmen fließen. »Die Strom- und Gaskunden des städtischen Energieversorgers unterstützen also indirekt ihr Bad«, fasst der Geschäftsführer zusammen.

Hirschberg an der Saale hat schon seit 1938 ein Freibad mit 50-Meter-Bahn, das vor vier Jahren mit Hilfe der Bürger erneuert wurde und seitdem unter Denkmalschutz steht. Der Betrieb kostet die Ostthüringer Kommune nach eigenen Angaben 36 000 Euro jährlich – bei Einnahmen in Höhe von 10 000 Euro. Daher suchen die Verwaltung und eine Bürgerinitiative dringend »Freibad-Retter«, die mit einer Spende helfen.

Für die kommende Saison fehlen noch mehr als 18 000 Euro, zeigt das Spendenbarometer im Internet. Die Hirschberger sind trotzdem optimistisch: »Anfang Juni soll das Bad eröffnen«, sagt eine Sprecherin der Stadt. In Ruhla und Schweina (beide Wartburgkreis) hatten die Badegäste am Wochenende Grund zur Freude: Das Waldbad Schweina startet mit einer neuen Wasserrutsche in die Saison, und der Ruhlaer Schwimmbad-Verein kann dank 2700 Euro an Fördermitteln des Landes eine Anlage zu Wasseraufbereitung anschaffen.

Die Sparmaßnahmen in Eisenach schränken das Schwimmvergnügen in dem 2005 eröffneten Freibad nicht ein. Der Neubau kostete einst 3,85 Millionen Euro, Sanierung und Anbau des Hallenbades schlugen mit 4,3 Millionen Euro zu Buche. Das Gesamtprojekt wurde ebenfalls dank Umverteilungen innerhalb der beiden städtischen Betriebe finanziert. »Wir haben uns bewusst auf eine sportliche Ausrichtung konzentriert«, erzählt Hartlep. Damit habe sich Eisenach im Wettbewerb um Kunden abgrenzen wollen.

In Thüringen gibt es mehr als genug reine Spaßbäder, meint auch Bastian Wenske von der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Nicht nur die Rettungsschwimmer, auch andere Vereine und Schulen seien auf Sportbecken angewiesen. Die DRK-Mitglieder passen an den Becken entweder ehrenamtlich auf – so wie in Apolda und an der Bleilochtalsperre – oder schließen Verträge mit Badbetreibern wie den Erfurter Stadtwerken. »Rettungsschwimmer werden gerade händeringend gesucht«, berichtet Wenske. Die ehrenamtlichen Helfer könnten meist nur am Wochenende ihre Freizeit am Beckenrand oder Badestrand verbringen.

Ein Ort zum Üben

Die Freibäder spielten für die Ausbildung der Rettungsschwimmer zwar keine besonders große Rolle, räumt Wenske ein. Trotzdem muss das Schwimmen nicht nur gelernt, sondern auch geübt werden. Und das ist bei strahlendem Sonnenschein und Hitze draußen eben am schönsten.


Geprüfte Gewässer

Erfurt (dpa/ND). In Thüringen gibt es 170 Freibäder und 38 natürliche Badegewässer. Regelmäßig kontrolliert werden laut Thüringer Sozialministerium zusätzlich noch fünf kleinere Badegewässer. Die Gesundheitsämter prüfen dort ebenfalls die Wasserqualität. Voraussichtlich nehmen 70 Bäder in Thüringen erst Ende Mai den Betrieb auf. Die Freibadsaison endet in Thüringen offiziell am 15. September.

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