Wenn die Kasse schließt – was nun?

Fragen & Antworten zur Krankenversicherung

  • Lesedauer: 5 Min.

Wann darf eine Krankenkasse geschlossen werden?
Durch das »Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung« (GKV-OrgWG) gelten für alle Krankenkassen seit dem 1. Januar 2010 die gleichen Regeln für den Fall einer Kassenschließung. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds hat der Gesetzgeber die Möglichkeit detailliert geregelt, dass Krankenkassen wegen nicht ausreichender Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds geschlossen werden können. Tritt der Fall ein, dass die Kasse ihre Ausgaben nicht deckt, bleibt allein die Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben. Reichen auch diese nicht aus, kann es in letzter Konsequenz zur Schließung dieser Krankenkasse kommen.

Wer entscheidet über die Schließung einer Kasse?
Über die Schließung entscheidet die jeweilige Aufsicht der Krankenkasse. Dies ist bei bundesunmittelbaren Krankenkassen das Bundesversicherungsamt (BVA), bei landesunmittelbaren Kassen das zuständige Landesgesundheitsministerium.

Welche Folgen hat die Schließung einer Krankenkasse?
Anders als in der freien Wirtschaft gibt es bei der Schließung einer Krankenkasse keine vor- oder nachrangigen Ansprüche von Gläubigern. Um die Forderungen und Verpflichtungen zu erfassen, muss der Vorstand die Schließung öffentlich bekannt machen. Mit der Schließung einer Kasse tritt diese automatisch in ein Abwicklungsstadium. Gegenüber den Gläubigern, insbesondere den Partnern im Gesundheitswesen (wie Krankenhäusern, Ärzten, Zahnärzten) besteht die Kasse so lange fort, bis sie abgewickelt ist. Gemeint sind damit die laufenden Geschäfte. Grundsätzlich gilt: Sind medizinische Leistungen erbracht worden, werden diese den Ärzten, Krankenhäusern und allen anderen Vertragspartnern für die medizinische Versorgung vergütet, selbst wenn etwa eine BKK zum Zeitpunkt der Abrechnung der Honorare geschlossen sein sollte. Dafür steht die Gemeinschaft aller Betriebskrankenkassen ein.

Wie erfahren Kassenmitglieder von der Schließung?
Alle Versicherten und deren Arbeitgeber, die Leistungserbringer, aber auch andere Stellen, die zur monatlichen Beitragszahlung verpflichtet sind (Bundesagentur für Arbeit oder Rentenversicherung), werden schriftlich informiert.

Wenn eine Kasse schließt, kann man dann in eine Kasse seiner Wahl wechseln?
Ja, denn im Fall der Schließung kann und muss das Mitglied eine andere gesetzliche Krankenkasse wählen – und diese unverzüglich dem Arbeitgeber oder einer anderen zur Meldung verpflichteten Stelle durch eine Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse nachweisen. Die Mitglieder können noch bis zu zwei Wochen nach der Schließung ihr Wahlrecht ausüben. Die zweiwöchige Frist beginnt mit dem in einer amtlichen Mitteilung bekannt gemachten Tag der Schließung der Kasse.

Werden die Mitglieder der geschlossenen Krankenkasse auf andere Kassen verteilt?
Nein. Die Mitglieder können zur Krankenkasse ihrer Wahl wechseln. Keine gesetzliche Kasse darf jemanden ablehnen, dessen Krankenkasse geschlossen wurde. Auch dann nicht, wenn das Mitglied eine chronische Krankheit hat, teure Medikamente benötigt oder gerade krankgeschrieben ist.

Gilt das auch für die mitversicherten Familienangehörigen?
Die beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen haben kein eigenes Wahlrecht, sind aber analog zum Mitglied ab dem ersten Tag in der neuen Kasse mitversichert. Sie haben dann hier wiederum Ansprüche auf den gesamten Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Kann man auch in eine private Kasse wechseln?
Dies ist wie bei jedem anderen Kassenwechsel geregelt: Freiwillig Versicherte (mit einem monatlichen Bruttoeinkommen ab 4125 Euro) oder Selbstständige können in eine private Krankenversicherung wechseln. Pflichtversicherte (Bruttoeinkommen von monatlich unter 4125 bzw. 49 500 Euro jährlich) können diese Wechselmöglichkeit nicht wahrnehmen. Sie müssen eine neue gesetzliche Kasse wählen.

Was passiert, wenn die 14-tägige Frist nicht eingehalten wird?
Im Zweifel bekommt der Versicherungspflichtige eine neue Krankenkasse zugewiesen. Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei der Krankenkasse wieder anmeldet, bei der er vor der Mitgliedschaft bei der nunmehr geschlossenen Krankenkasse war. Ist dies nicht zu ermitteln, wählt der Arbeitgeber eine neue Krankenkasse aus. Das gleiche gilt auch für Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II und bei Rentnern. Hier wählt entweder die Bundesagentur für Arbeit oder der Rentenversicherungsträger die neue Krankenkasse aus. Dadurch wird sichergestellt, dass auch bei versäumten Fristen keine Lücken im Versicherungsschutz entstehen.

Was kann man tun, wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter bei einer Krankenkasse anmeldet, die einen Zusatzbeitrag erhebt?
Alle Mitglieder einer Krankenkasse, die zu einem bestimmten Zeitpunkt schließt, haben grundsätzlich innerhalb einer bestimmten Frist die freie Wahl, um sich in einer anderen gesetzlichen Krankenkasse zu versichern. Nimmt das Mitglied die Wahlfreiheit nicht wahr, wird der Arbeitgeber eine Kasse wählen müssen, weil es sich um eine Pflichtversicherung handelt. Wird dabei eine Kasse gewählt, die einen Zusatzbeitrag erhebt, hat das Mitglied demzufolge kein Sonderkündigungsrecht, weil es offenbar bewusst auf seine Wahlfreiheit verzichtet hat. Es muss 18 Monate in dieser Krankenkasse bleiben. Es bekommt gegebenenfalls ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Kasse den Monatsbeitrag erhöht.

Betroffene Versicherte können folgende Infotelefone nutzen:

Berlin (030) 88 95-1200
Hamburg (040) 298 08-1200
Stuttgart (0711) 933 44-1200

Für Leistungserbringer gibt es ebenfalls eine Hotline: von montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr, freitags von 9 bis 14 Uhr.

BKK-Gesprächspartner geben unter der Servicenummer (0800) 25 55 555 Auskünfte zu Fragen der Leistungserbringung bei der Schließung der Krankenkasse.

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