nd-aktuell.de / 18.06.2011 / Politik / Seite 1

Die Grünen sind raus

Atomgegner: Öko-Partei kein Teil der Bewegung mehr / Länder wollen Atomausstieg mittragen, fordern aber Nachbesserungen

Paul Alexander
Der Bundesrat will den neuen Atomkonsens mittragen, die Parteispitze der Grünen auch. Atomgegner reagierten verschnupft und ließen die Grünen wissen, dass sie nun kein Teil der Anti-AKW-Bewegung mehr seien.
Zeichnung: Harm Bengen
Zeichnung: Harm Bengen

Die Bundesratsdebatte zur Energiewende war diesmal die Stunde der Ministerpräsidenten. Ihre Botschaft war eindeutig: Die 16 Länderchefs wollen den neuen Atomkonsens grundsätzlich mittragen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte, den Atomausstieg »unumkehrbar« zu machen. Es müsse eine »geschlossene Front der Länder geben«. Wer jedoch der Rede Seehofers aufmerksam zuhörte, konnte die Doppelbödigkeit genau verstehen. Es müsse schließlich Sicherheit für die Investoren geben. Mit anderen Worten: Die Laufzeiten für die verbliebenen Anlagen dürften nicht mehr zur Disposition gestellt werden. Ein beschleunigter Ausstieg, der ja technisch und energiewirtschaftlich möglich wäre, soll so ausgeschlossen werden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte, die Länder sollten den Bund gemeinsam unter Druck setzen, damit er die geplante Förderung für die energetische Gebäudesanierung weiter aufstocke. Hier gebe es noch »offene Punkte«. Eine sehr dezente Umschreibung für einen Streitwert von fünf Milliarden Euro. Denn auf diesen Betrag wollen die Länder die Förderung aufgestockt sehen. Kraft rief dazu auf, die Energiewende »sozialverträglich« zu gestalten. Es dürfe keine Explosion bei den Mietnebenkosten geben. Ein freundliches Bekenntnis, solange nicht die Strompreise und die Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten gesetzlich begrenzt werden. Mecklenburgs Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wurde da etwas konkreter und wandte sich gegen die Steuerermäßigungen, mit denen die Bundesregierung die Gebäudesanierung finanzieren will. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) nutzte die Debatte dazu, für die Forderung seiner Partei zu werben, den Ausstieg durch eine Grundgesetzänderung festzuschreiben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) übte viel Kritik, erklärte aber den Konsens zum Ausstieg zum »überragenden Wert«. Damit liegt der frisch gebackene Landesvater voll auf Parteilinie. Denn trotz heftiger Proteste an der Basis will die Parteispitze dem Atomausstieg zustimmen. So will es jedenfalls ein am Freitag veröffentlichter Leitantrag für den »Sonderparteitag zur Energiewende« der Grünen am kommenden Samstag. »Den Atomausstieg wollen wir unterstützen«, heißt es im Antrag. Mit der Vereinbarung zum Ausstieg sei ein »erneutes Aufbrechen der Vereinbarung politisch nahezu unmöglich«. Die Grünen lernen nicht dazu: Erst im vergangenen Jahr war der im rot-grünen Atomkonsens von 2000 vereinbarte Ausstieg aufgekündigt worden, um die Laufzeiten der deutschen AKW zu verlängern.

Die Anti-Atom-Bewegung, der sich die Grünen in letzter Zeit wieder verstärkt zugewendet hatten, reagierte deshalb verschnupft. So erklärte Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt«: Wer einem Stand-by-Betrieb und reduzierten Sicherheitsanforderungen zustimme, so Stay, »kann sich nicht mehr Teil der Anti-Atom-Bewegung nennen«. Die Stilllegung der acht Atommeiler und die Rücknahme der Laufzeitverlängerung seien ein »riesiger Erfolg der Anti-AKW-Bewegung«, so Stay. Doch sei dies nur der halbe Ausstieg. Stay verwies auf den Weiterbetrieb des AKW Gundremmingen C bis 2021, obwohl es sich um einen störanfälligen Siedewasserreaktor wie in Fukushima handele. Zudem würden bis zum bislang von den Grünen geforderten »endgültigen« Ausstiegsjahr 2017 nur zwei von neun Meilern vom Netz gehen.

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