Zwei Klassen am Arbeitsmarkt

Breites Bündnis kritisiert Gesetzentwurf zu Förderinstrumenten

  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gesetzentwurf des Bundesarbeits- und Sozialministeriums sorgt für scharfe Kritik. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt erhöhen – und kürzt Mittel unter anderem bei Langzeitarbeitslosen. DGB und Paritätischer Wohlfahrtsverband legten einen Appell zu einem Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik vor.

Berlin (Agenturen/ND-Meyer). Ein Gesetzentwurf sorgt für Kritik. Ein breites, parteiübergreifendes Bündnis mit mehr als 3000 Unterstützern hat die Bundesregierung aufgefordert, die geplante Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente zurückzunehmen. Mit der angestrebten Einschränkung von Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose entstehe eine »Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik von völlig neuer Qualität«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, am Freitag in Berlin. Schneider gehört zu den Initiatoren des Bündnisses.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik. »Die geplante Instrumentenreform ist reiner Etikettenschwindel und in Wirklichkeit ein Kürzungsprogramm ohne Sinn und Verstand«, sagte sie am Freitag. Sinnvolle Hilfen für Langzeitarbeitslose seien schnell und billig nicht zu haben. Anstatt zu kürzen, müsse mehr Geld investiert werden. Für die rund 600 000 Arbeitslosen ohne berufliche Ausbildung brauche es dringend eine steuerfinanzierte Qualifizierungsoffensive, damit die Betroffenen »eine zweite Chance« erhielten. Nur so lasse sich der »Teufelskreis« aus niedriger Qualifikation, prekärer Beschäftigung, geringer Bezahlung und erneuter Arbeitslosigkeit durchbrechen, so Buntenbach weiter.

Das Kabinett hatte im Mai eine Umgestaltung der Instrumente der Arbeitsagenturen und Jobcenter beschlossen, mit denen Arbeitslose wieder in Beschäftigung vermittelt werden sollen. »Die Novelle soll den Vermittlern vor Ort mehr Freiheiten für eine passgenaue Förderung geben, den Budgetgedanken stärken, Mitnahmeeffekte verhindern und angesichts der guten Konjunktur für Arbeitsuchende den Weg in Beschäftigung beschleunigen«, hieß es in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums vom 25. Mai.

Bis 2014 wolle die Bundesregierung 16 Milliarden Euro in der Arbeitsmarktpolitik einsparen, sagte Schneider. Daher würden die Hilfen auf qualifizierte, gut vermittelbare Arbeitssuchende konzentriert. Die Förderung von Langzeitarbeitslosen würde hingegen abgebaut oder erschwert. »Das ist der Weg in eine neue Arbeitsmarktpolitik von sozialer Ignoranz«, kritisierte Schneider. Die Initiatoren des Appells kritisierten, dass es nur noch 200 000 Angebote öffentlich geförderter Beschäftigung gebe, nötig seien aber mehr als 400 000.

In dem von 3100 Fachleuten unterzeichneten Aufruf wird eine Entfristung der Instrumente gefordert, damit Langzeitarbeitslose ausreichend auf das Arbeitsleben vorbereitet oder einen Berufsabschluss nachholen können. Die öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse müssten massiv ausgebaut werden. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheiten müssten erhalten werden.

Der Aufruf wird von Gewerkschaften, allen Wohlfahrtsverbänden, Behindertenverbänden, Wissenschaftlern, Kommunalpolitikern und Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen und LINKEN unterstützt. Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (beide SPD), sowie die Spitzen der Linkspartei Gesine Lötzsch und Klaus Ernst haben unterzeichnet. Am kommenden Montag soll eine Anhörung zum dem Gesetzentwurf im Arbeitsausschuss des Bundestags stattfinden.

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arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de

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