Orgel, Weide

Silbermann-Tage: Starke Klangräume

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 2 Min.

Gottfried Silbermann war äußerst geschäftstüchtig. Warum sollte er, so seine Überlegung, Aufträge aus der Ferne annehmen, die mit beschwerlichen Reisen und Transporten verbunden wären. Könnte es nicht lukrativer sein, sich auf den Radius von rund 100 Kilometern rund um die Freiberger Werkstatt zu beschränken? Das Ergebnis dieser Idee: die einzigartige sächsische Orgellandschaft. »Faszinierende Klangräume an historischen Orten zu schaffen« – dies Anliegen geben sich in diesem Jahr die Silbermann-Tage.

Silbermann, ein gründlicher und systematischer Geist, verpasste seinen 50 sächsischen Orgeln – rund zwei Drittel davon sind erhalten – eine klare klangliche Linie. Auf der prachtvollen Orgel im Freiberger Dom spielte Christophe Mantoux nun ein maßgeschneidertes Programm mit französischen Orgelkompositionen des frühen 18. Jahrhunderts und einigen französisch inspirierten Werken Johann Sebastian Bachs. Der Organist brachte die anmutigen Einzelstimmen der Orgel zur Geltung. Gleichwohl hatte man angesichts nicht ganz stilgemäßer Temposchwankungen und einer recht pompösen Registrierung den Eindruck, es ginge Mantoux vor allem darum, den Klang dieser Orgel zur Schau zu stellen. Aufführungspraktisch authentischer dürfte es zugehen, wenn Pieter van Dijk heute an der großen Freiberger Orgel spielt; zumindest kommt dann das historische Gebläse von 1739 zum Einsatz. Beim Abschlusskonzert am 18. September spielen dann die frisch gekürten Preisträger des parallel zum Festival laufenden Silbermann-Orgelwettbewerbs.

Das Festival folgt den Spuren Silbermanns, es streckt sich von Dresden bis nach Burgk im Thüringischen. Festivalleiter Albrecht Koch, Domorganist in Freiberg, nennt es »ein Wunder«, dass sich in Sachsen so viele herrliche Orgeln in kleinen Dörfern befänden, wo »direkt neben dem Kirchhof die Kuh auf der Weide steht.« Einige dieser Dorforgeln konnte man bei einer Exkursion kennen lernen. So ging es zum Beispiel nach Pfaffroda, wo Silbermann der Dorforgel die Anmutung eines verschnörkelten französischen Möbelstücks verlieh. In Zethau wiederum steht ein weich klingendes Instrument des Silbermann-Schülers Adam Gottfried Oehme.

Mut bewiesen die Veranstalter mit dem Eröffnungskonzert, welches sie in das kleine Reinhartsgrimma verlegten. Schade, dass die anmutig samtig klingende Dorfkirchenorgel hier nur eine Nebenrolle spielte. Im Mittelpunkt stand das italienische Barockensemble La Divina Armonica unter Lorenzo Ghielmi, das Händel, Vivaldi und deren Zeitgenossen mit scharf akzentuierter, fast schroffer Lebhaftigkeit darbot. Ein Konzert in der riesigen spätgotischen Hallenkirche St. Annen von Annaberg zeigte schließlich, wie es nach Silbermann mit dem Orgelbau weiterging. In St. Annen befindet sich ein Instrument der Firma Walcker, spätes 19. Jahrhundert. Arvid Gast brillierte mit typisch spätromantischen Echo- und Raumeffekten, raffinierten Klangfarbenmischungen und bombastischem Vollklang.

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