Libyen, die UNO und die LINKE

  • Jan van Aken
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor, einst UN-Waffeninspektor, ist außenpolitischer Experte der Linksfraktion im Bundestag.
Der Autor, einst UN-Waffeninspektor, ist außenpolitischer Experte der Linksfraktion im Bundestag.

Gaddafi ist gestürzt, und das ist gut so. Aber der von der NATO unterstützte Bürgerkrieg in Libyen hat Zehntausende Tote gefordert. Es bleibt zu hoffen, dass das Töten jetzt ein Ende hat und die Rebellengruppen sich friedlich zu einem demokratischen Libyen zusammenfinden. Noch besteht allerdings die Gefahr, dass sich nach dem Ende des Gaddafi-Regimes die verschiedenen Akteure in Libyen gegenseitig bekämpfen, auch gewaltsam.

Selbst wenn Libyen nach Gaddafi eine friedliche Entwicklung nimmt – was ich von ganzem Herzen hoffe – waren der NATO-Einsatz und die UN-Sicherheitsresolution 1973 zur Bombardierung Libyens falsch. Der Zweck darf nicht jedes Mittel heiligen und Bombenwürfe können ein Land nicht demokratisieren.

Mit der Libyen-Resolution 1973 wurde die so genannte »Schutzverantwortung« als Grundlage für das militärische Eingreifen in einem Bürgerkrieg herangezogen. Natürlich ist es richtig, dass sich die UNO für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Stärkung der Menschenrechte einsetzt. Natürlich muss auch die LINKE hier – friedliche – Antworten finden. Aber mit dem Konzept der »Schutzverantwortung« werden zwei unverzichtbare Grundpfeiler der Vereinten Nationen ausgehöhlt: die staatliche Souveränität und das Gewaltverbot.

Bei den Vereinten Nationen kursiert ein Satz, der leider sehr wahr ist: In der UNO sind alle gleich, nur einige sind gleicher. Den Mächtigen in der UNO geht es bei einem Kriegseinsatz nicht um den Schutz der Zivilbevölkerung. Gerade an Libyen zeigt sich, wie auf massiven Druck von Frankreich und Großbritannien ein militärisches Mandat durchgesetzt wurde, das dann für einen »regime change« missbraucht wurde. Der russische Präsident Medwedjew hatte Recht, als er die Resolution 1973 einen »Käsezettel« nannte – ein Papier ohne Wert, das die Krieg führenden Staaten als Freifahrtschein für ihre eigenen Interessen missbrauchten.

Das ist aber keine Ausnahme, sondern tagtägliche Realität. Ob die Theoretiker der »Schutzverantwortung« (englisch: responsibility to protect) das wollen oder nicht: Ganz praktisch werden unter diesem Etikett Menschenrechte für militärische Interventionen zu anderen Zwecken missbraucht. Es ist das Einfallstor für eine Aushöhlung zentraler Elemente des Völkerrechts.

Deshalb sind alle hehren Gedanken über eine »Schutzverantwortung« bestenfalls naiv. Diesen Vorwurf der Realitätsferne müssen sich auch die LINKEN Politiker gefallen lassen, die kürzlich in einem Papier zur UNO-Reform das Konzept der Schutzverantwortung verteidigt haben. Wer so argumentiert, folgt den Grünen auf ihrem Weg in den Krieg.

Die LINKE sollte diese Kontroverse nutzen, um neue Ideen für eine Demokratisierung der Vereinten Nationen zu entwickeln. Dabei darf es nicht nur um eine simple Erweiterung des Sicherheitsrates gehen. Wir müssen grundsätzlicher werden. Wichtig wäre zum Beispiel, zentrale Befugnisse vom Sicherheitsrat auf die (demokratischere) UN-Generalversammlung zu übertragen. So sollten alle Entscheidungen über militärische Einsätze – aus meiner Sicht natürlich höchstens die klassischen Blauhelmeinsätze wie in Zypern – in der Generalversammlung fallen und nicht mehr im exklusiven Klub der Veto-Mächte. Für die LINKE als Partei des Völkerrechts ist die UNO zu wichtig, um sie den wenigen Mächtigen dieser Welt zu überlassen.

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