CDU in Schleswig-Holstein hat einen neuen Vorsitzenden

Nach Boetticher-Affäre fallen Christdemokraten in Umfragen hinter die SPD zurück

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch siebeneinhalb Monate sind es bis bis zum Urnengang in Schleswig-Holstein, doch schon jetzt grassiert das Wahlkampffieber.

Da die Koalition aus Union und FDP im Bund noch eine Weile als Regierung vor sich hinstolpern wird, werden die Wahlen im Norden im nächsten Jahr ein neuerlicher Stimmungstest für Schwarz-Gelb. Und weil bei der Wahl wohl keine der großen Parteien die absolute Mehrheit erringen wird, stellt sich die Frage »wer mit wem?«; oder: »wer mit wem nicht?« – wie etwa für den Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Die Partei der dänischen Minderheit, deren wiedergewählter Landesvorsitzender (100 Prozent!) Flemming Meyer beim Parteitag am Wochenende in Husum eine Zusammenarbeit mit der CDU ausschloss. Dagegen sagt die SPD, dass sie mit den Grünen will. Noch betont die CDU, dass sie gerne mit der FDP weiterregieren würde, doch wegen des Beliebtheitsrutsches der Liberalen bewegt man sich seitens der Union inhaltlich in Richtung Grüne, wenn da nicht die Feste Fehmarnbeltquerung wäre … Doch die Erinnerung an Hamburg lässt grüßen, gerade auch, weil dort der Bau des Kohlekraftwerkes Moorburg am Ende keine Hürde für schwarz-grün war.

Der SSW hat mit Anke Spoorendonk die Spitzenkandidatin benannt. Man strebe als Wahlziel fünf Prozent an, um seine vier Landtagssitze zu verteidigen. Der SSW ist ansonsten von der Fünf-Prozent-Klausel befreit.

Wurde in Husum fast unbemerkt getagt, scharten sich die Journalisten zeitgleich in Kiel beim CDU-Landesparteitag. Dort übernahm Jost de Jager den Landesvorsitz, der knapp sechs Wochen vakant war, weil Christian von Boetticher im August über eine Affäre mit einer Minderjährigen gestolpert war. In Kiel nahm von Boetticher als Delegierter für Pinneberg teil und beklatschte de Jager, als der 241 von 258 Stimmen erhielt (93,5 Prozent). Die Turbulenzen um von Boettichers Absturz hat die Union in Umfragen hinter die SPD zurückgeworfen. Eine »Delle« nannte de Jager diesen Umstand. Wen man auch vom CDU-Spitzenpersonal anspricht, stets hört man den Standardsatz, man wolle nur noch nach vorn sehen. Professionell innerhalb von sechs Tagen habe man die Krise gemanagt, so die Botschaft der CDU-Granden. Dabei hat die Führungsetage allein entschieden, die Basis durfte nur noch abnicken. Am 4. November soll de Jager als CDU-Spitzenkandidat gekürt werden. Sein Wahlziel: Stärkste Fraktion werden. »Wenn wir nicht mindestens 38 Prozent schaffen, wird es schwierig«, meint dagegen ein Landesvorstandskollege.

Die Grünen bleiben ohne Koalitionsaussage. Ihr Spitzenmann heißt Robert Habeck. Die Partei, die zuletzt starke Mitgliedergewinne verzeichnete, stellt heute einen Wahlprogrammentwurf vor. Rückenwind wollen die Bundesgrünen liefern, die im November ihren Bundesparteitag nach Kiel platziert haben.

Um Inhalte kümmert sich auch bereits die SPD. Sie hatte landesweit zum öffentlichen Mitdiskutieren eingeladen. Danach sind rund 500 Ideen, Forderungen und Thesen zusammengekommen. Bildung ist Thema Nummer 1 für den designierten Spitzenkandidaten Torsten Albig.

Kita, Schule, Uni und Ausbildung treibt die »Nordlichter« in der Tat um. So kommt es nicht von ungefähr, dass die LINKE am gestrigen Sonntag zu einem Bildungskongress eingeladen hatte. Am 16. Oktober wird auf eine Landesmitgliederversammlung übers Wahlprogramm geredet.

Die FDP sucht derweil dringend nach Halt. Ob ein Glücksspielgesetz oder ein geplantes neues Denkmalschutzgesetz rettende Themen sind, ist fraglich. In Sachen Bildung geht die CDU bereits jetzt auf Distanz. Für die Liberalen steht auf einem Parteitag am 19. November ein Wachwechsel an. Kiels Sozialminister Heiner Garg beerbt den Landeschef Jürgen Koppelin.

Und dann sind da noch die Piraten. Die wollen vom Berliner Hype profitieren und stellen am 9. Oktober ihre Landesliste auf.

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