Gläubigerjagd auf Kirchenmaus

In Augsburg beginnt am Mittwoch ein neuer Prozess gegen Ex-Staatssekretär Pfahls

  • Lesedauer: 3 Min.
Schmiergelder, Rüstungsgeschäfte und ein abgetauchter Politiker – irgendwann könnte die Affäre um den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber Stoff für einen Polit-Thriller sein. Vorerst soll es aber bei den Fakten bleiben – in einem neuen Prozess gegen Holger Pfahls, einst Staatssekretär im Verteidigungsministerium.
Augsburg/München. Seine Flucht hat Ludwig-Holger Pfahls berühmt gemacht. Lange zählte der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium zu den meistgesuchten Personen Deutschlands. 2004 wurde er schließlich in Paris gefasst. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung und Vorteilsannahme im Zusammenhang mit zwielichtigen Rüstungsgeschäften des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber. Pfahls galt als eine der Schlüsselfiguren in der Affäre rund um Schmiergelder, schwarze Kassen und Anderkonten, die sich bis in höchste CDU-Kreise zog.
Im August 2005 verurteilte ihn das Landgericht Augsburg zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Seine Strafe im Zusammenhang mit der Schreiber-Affäre hat er verbüßt. Trotzdem muss der frühere CSU-Politiker am kommenden Mittwoch erneut vor Gericht. Trotz massiver Schulden soll er laut Anklage seinen Gläubigern hohe Vermögenswerte verschwiegen haben. Neben ihm gibt es acht weitere Angeklagte, darunter auch den skandalumwitterten Geschäftsmann Dieter Holzer.
Rund 3,7 Millionen Euro schulde Pfahls allein der öffentlichen Hand, erklärte die Augsburger Staatsanwaltschaft im Frühjahr. Einen privaten Gläubiger soll er überdies derart bedroht haben, dass dieser auf seine Forderung von 5000 Euro verzichtete.

Unschöne Weihnachten

Nach dem Prozess 2005 galt Pfahls als mittellos. »Mein Mandant steht vor dem Nichts«, hatte sein Anwalt erklärt, was Pfahls auch eidesstattlich versicherte. Die Schmiergelder weg, das Vermögen verschwunden, die Pension gepfändet – ein Mann, arm wie eine Kirchenmaus. Alles falsch, befand die Staatsanwaltschaft 2010 und ließ Pfahls, seine Frau und fünf weitere Beschuldigte kurz vor Weihnachten festnehmen. Vier Millionen Euro soll der ehemalige CSU-Politiker nach Ansicht der Staatsanwälte mit Hilfe geschickter Transaktionen verschleiert haben.
Holzer und die übrigen Mitangeklagten sollen ihm dabei geholfen haben, so die Anklage. Die Liste an Straftaten, die im Raum stehen, ist lang: Bankrott, Steuerhinterziehung, falsche Versicherung an Eidesstatt, Erpressung, Betrug – und die Beihilfe dazu. Angeklagt sind neben Pfahls unter anderem auch seine Ex-Frau und seine Ehefrau. Genaueres soll erst zu Prozessbeginn bekannt werden, wenn die 76 Seiten lange Anklageschrift verlesen wird. Bis dahin gelte das Steuergeheimnis, sagte der Pressesprecher und Vorsitzende Richter am Landgericht Augsburg, Karl-Heinz Haeusler.
In der Tat geht es dieses Mal vor allem um Persönliches, anders als in früheren Prozessen rund um die Affäre, die 1999 durch Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft ins Rollen gekommen war. Was folgte, war eine riesige Lawine, die vor allem die CDU wegen dubioser Parteispenden erschütterte. Untersuchungsausschüsse im Bundestag und im bayerischen Landtag beschäftigten sich damit. Viele Parteigrößen gerieten ins Visier der Ermittler oder wurden als Zeugen gehandelt: Altbundeskanzler Helmut Kohl, der ehemalige Schatzmeister Walther Leisler Kiep, der damalige CDU-Chef Wolfgang Schäuble und Max Strauß, dessen Vater, der mächtige bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Franz Josef Strauß, mit Pfahls eng verbunden war. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt: Die Zahlung von Schmiergeldern im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern 1991 nach Saudi Arabien.

Versteck in Paris

In der deutschen Politik brodelte es, und ebenso wie Schreiber war auch Pfahls für die Justiz lange nicht greifbar. Fünf Jahre konnte sich der Mann mit dem Spitznamen »Phantom« verstecken – bis zum 13. Juli 2004, als Zielfahnder Pfahls vor seiner Wohnung in einem schicken Pariser Stadtteil festnahmen. Schreiber wurde im Jahre 2009 aus Kanada abgeschoben und schließlich 2010 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes muss das Verfahren gegen ihn allerdings neu aufgerollt werden.
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