Schutz für Demonstranten

Bündnis sammelt Unterschriften für neues Versammlungsgesetz in Baden-Württemberg

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund um den Protest gegen Stuttgart 21 ist gut zu beobachten, wie Verwaltungen und Polizei das Versammlungsrecht einschränken. Mit mehreren Aktionen will das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit den Blick darauf lenken und für ein fortschrittliches Versammlungsrecht streiten.

Auflagen für Demonstrationen, Wegtragegebühren bei Sitzblockaden, Schikane von Versammlungsleitern Protestierer müssen mit immer mehr Schwierigkeiten rechnen. Nun kursieren in Baden-Württemberg Unterschriftenlisten »für ein fortschrittliches Versammlungsrecht und die Einstellung aller Verfahren gegen S21-GegernInnen«. Der Jahrestag des »schwarzen Donnerstags« in Stuttgart, als dort mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen friedliche Demonstranten vorgegangen wurde, erschien den Initiatoren als ein guter Anlass: Sie fordern ein Gesetz, das das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit tatsächlich ermöglicht und das nicht durch bürokratische Hürden und polizeiliche Willkür ad absurdum geführt wird.

»Dazu brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte«, erklärt Bündnis-Sprecher Thomas Trüten. Viele hätten noch nicht registriert, wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehöhlt werde. Trüten: »Das funktioniert eher subtil: Da haben wir die hiesige Spezialität der Gebühr von 40 Euro, wenn Sitzblockierer von der Polizei weggetragen werden. Es gibt Gemeinden, die verlangen Demogebühren; Demoanmelder werden aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt, in Stuttgart gilt de facto ein Demoverbot für die zentrale Fußgängerzone, um nur einige Beispiel zu nennen.«

Mit Auflagen hat auch Gangolf Stocker bereits Erfahrung gemacht. Der Grand Signeur des S21-Widerstands wurde zu einer Geldstrafe über 2700 Euro verurteilt, weil auf einer von ihm angemeldeten Anti-S21-Demo nicht genügend Ordner abgestellt worden seien. »Bei Kundgebungen der Größenordnung wie in Stuttgart steht jeder Versammlungsleiter mit einem Bein im Knast«, so Stocker. Der Stuttgarter Stadtrat sieht in zunehmenden Eingriffen durch Ordnungsamt, Polizei und Staatsanwaltschaft vor allem »alte Seilschaften« am Zuge, die systematisch S21-Gegner verfolgen.

Doch nicht nur in Stuttgart wird schikaniert. So erlebte Thomas Trüten am 1. Mai in Heilbronn, wie die Gegner des Naziaufmarsches von der Polizei eingekesselt wurden. »Damit hat die Polizei die Demo unmöglich gemacht«, sagt Trüten und kündigt an, dass er und einige Mitdemonstranten Klage gegen die Stadt und gegen den Polizeieinsatz einreichen werden.

Die Methode, ein Grundrecht über Bürokratie schleichend zu verändern, ist schwierig zu erkennen, hat Trüten festgestellt. »Vielen ist gar nicht klar, dass das Versammlungsrecht ein Grundrecht ist.« So habe in Stuttgart die Polizei verbreitet, Spontandemos seien nicht erlaubt. Ohne zu hinterfragen, wurde dies warnend von den Veranstaltern einer Anti-S21-Demo an die Demonstranten weitergegeben. »Dabei stimmt das nicht«, betont Trüten. Aber vor lauter Bemühen, gesetzestreu sein zu wollen, ließen manche Teile der Anti-S21-Bewegung sich zu schnell auf Anweisungen von oben ein.

Die grün-rote Landesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag zum Thema Versammlungsrecht nur recht schwammig, sie wolle, »ein bürgerfreundliches Versammlungsgesetz für Baden-Württemberg«. Damit das tatsächlich umgesetzt wird, wollen Trüten und seine Gefährten Druck machen. Die Unterschriftenlisten, die nach wenigen Tagen bereits 400 Menschen unterzeichnet hatten, sind ein erster Schritt. Für Ende des Jahres sind ein »Forum für Versammlungsfreiheit« sowie eine Demo geplant.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal