Frankreichs Sozialisten rufen zur Urabstimmung

Gesucht wird ein Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2012

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.
In den kommenden Tagen wird sich entscheiden, wer für die französischen Sozialisten zur Präsidentschaftswahl 2012 kandidiert.

Am Sonntag findet in Frankreich die erste Runde der Urabstimmung über den Kandidaten der Sozialistischen Partei (PS) für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2012 statt. Um die Kandidatur bewerben sich die ehemaligen Parteivorsitzenden François Hollande und Martine Aubry, die PS-Präsidentschaftskandidatin von 2007 Ségolène Royal, die Parlamentsabgeordneten Arnaud Montebourg und Manuel Valls sowie Jean-Michel Baylet, Vorsitzender der kleinen Partei der Linken Radikalen, die zu den engsten Verbündeten der Sozialisten gehört. Da keiner der sechs Anwärter auf Anhieb mit mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen rechnen kann, dürfte es am Sonntag nächster Woche eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten geben.

Abstimmen können nicht nur Parteimitglieder, sondern alle wahlberechtigten Franzosen, die eine allgemein gehaltene Erklärung über ihr Bekenntnis zu den »Werten der Linken« unterzeichnen und mindestens einen Euro als Wahlkampfspende einzahlen. Abgestimmt wird in etwa 10 000 Wahllokalen in Schulen, Gemeindesälen oder anderen öffentlichen Gebäuden. In Städten und Gemeinden, wo rechte Kommunalpolitiker offizielle Räume verweigern, muss auf Cafés oder andere private Räumlichkeiten ausgewichen werden. Doch in der Regel gibt es keine Probleme, weil sich die Führung der rechten Regierungspartei UMP letztlich zu einer offiziellen »Tolerierung« der Urabstimmung durchgerungen hat. Hier und da ist sogar damit zu rechnen, dass sich traditionelle rechte Wähler unter die Abstimmenden mischen, um das Ergebnis zu beeinflussen, indem sie etwa für aussichtslose Kandidaten stimmen und damit dem Favoriten schaden.

Doch dass dürften Ausnahmen sein. Neben den mehr als 200 000 Mitgliedern der Sozialistischen Partei werden voraussichtlich auch Kommunisten, Mitglieder der Partei der Linken, parteilose Linke und selbst einige Anhänger der Antikapitalistischen Partei und der trotzkistischen Ligue Ouvrière abstimmen, obwohl die beiden Formationen generell ein Zusammenwirken mit den Sozialisten ablehnen. Es wird damit gerechnet, dass sich zwischen 800 000 und 1,5 Millionen Franzosen an der Urabstimmung der PS beteiligen, wobei die Parteiführung jede Zahl oberhalb einer Million als »vollen Erfolg« wertet. Vor der Urabstimmung gab es drei Fernsehdebatten der sechs Anwärter, die überdies seit Juni bei Meetings im ganzen Land für sich geworben hatten. Die Kosten dafür trug für alle sechs in gleicher Höhe die Partei.

Favorit ist Umfragen zufolge François Hollande, der im Falle eines Wahlsiegs 2012 ein »normaler Präsident« sein und sich damit bewusst vom hektisch-reißerischen Stil Nicolas Sarkozys abgrenzen will. In seiner Kampagne setzte er sich vor allem für die jungen Franzosen und für mehr Steuergerechtigkeit ein, aber auch für den Abbau der Staatsschulden. Martine Aubry, die für die Zeit der Wahlkampagne ihr Amt als Parteivorsitzende ruhen ließ, engagiert sich vor allem für mehr Arbeitsplätze, ein besseres Bildungswesen, eine Wende in der Energiepolitik und die Gleichheit von Mann und Frau. Ségolène Royal konzentrierte ihre Kampagne auf »grünes Wachstum«, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und Solidarität im Zusammenleben.

Geringe Chancen werden den drei anderen Bewerbern zugebilligt. Manuel Valls grenzt sich vom PS-Parteiprogramm ab, indem er als »Realist« Verständnis für die Rentenreform und andere politische Entscheidungen Sarkozys zeigt. Arnaud Montebourg beschwört dagegen die vernachlässigten linken Traditionen der Sozialisten. Er setzt sich für eine »De-Globalisierung« der Wirtschaftsbeziehungen und eine Reindustrialisierung Frankreichs ein und fordert, »die Banken an die Leine zu legen«. Jean-Michel Baylet plädiert für eine Verteidigung der laizistischen Werte der Republik und setzt sich in Abgrenzung zur PS für ein »föderales Europa« ein.

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