Streitpunkte vertagt - Aus für ÖBS

4. Runde der Koalitionsverhandlungen endete nach sieben Stunden teils ohne konkrete Beschlüsse

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund sieben Stunden verhandelt - und die Streitpunkte vertagt. Die vierte Runde der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen endete spät am Montagabend: SPD und CDU haben sich weder auf einen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro noch auf ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger einigen können. Die kontroversen Punkte wurden vertagt auf die Schlussrunde Mitte November.

In der vierten Verhandlungsrunde standen die Themenbereiche Arbeit, Integration und Soziales auf der Tagesordnung. Einigen konnten sich die beiden Parteien in Bezug auf den öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS). Der vom rot-roten Senat eingeführte ÖBS wird so nicht fortgesetzt. Das gaben der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Heilmann und SPD-Fraktions-Vize Iris Spranger nach der zähen Runde bekannt. Statt des ÖBS solle das Bundesprogramm Bürgerarbeit stärker genutzt werden, sagte Heilmann. Damit würden die Gehälter der Betroffenen, die derzeit bei 1300 Euro Brutto liegen, jedoch deutlich gesenkt. Für die Bürgerarbeit nach dem Bundesprogramm gibt es maximal 900 Euro im Monat. Zudem seien die Jobs, zum Beispiel im Sozial- oder Kulturbereich, nicht mehr sozialversicherungspflichtig. Bestehende Verträge würden aber eingehalten. Wegen der hohen Kosten war das Projekt bereits auf Druck der SPD um 50 Millionen Euro gekürzt worden. »Der Integrationserfolg in den ersten Arbeitsmarkt war nicht so groß«, kritisierte Heilmann. Außerdem sei dieses Projekt zu teuer gewesen. Die Arbeit beispielsweise der Stadtteilmütter oder der Integrationslotsen und Gemeindedolmetscher soll weiter finanziert werden, betonte Spranger (SPD).

Die Koalition werde auf dem Rücken von Erwerbslosen gegründet, kritisierte die Arbeitsmarktexpertin der Linksfraktion, Elke Breitenbach, am Dienstag. »Mit der Abwicklung des ÖBS werden Reden über Arbeit zu Mindestlohnbedingungen ad absurdum geführt.« Etliche soziale und Kulturprojekte seien gefährdet, so Breitenbach weiter. Erst in diesem Jahr hatte die SPD mit der LINKEN zusammen beschlossen, das Arbeitsmarktinstrument Bürgerarbeit in Berlin zu ÖBS-Bedingungen zu nutzen.

Ihr Vorhaben, einen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen, konnte die SPD nicht in den Koalitionsplänen verankern. »Die CDU will keine einheitlichen und keine von der Politik festgelegten Mindestlöhne«, sagte Heilmann. Mindestlöhne sollten je nach Branche differenziert und von den Tarifparteien festgelegt werden. Hier werden sich die Parteien auf einen Kompromiss einigen müssen.

Übereinstimmung herrschte teilweise beim Themenkomplex Integration. Beide Parteien bekennen sich demnach zur Bedeutung der Integration von Bürgern mit ausländischen Wurzeln. »Berlin ist eine Zuwanderungsstadt«, heißt es in einem verabschiedeten Papier. »Muslime gehören zu Berlin wie Christen und Juden.« Eine rot-schwarze Koalition wolle Zuwanderer vor allem auch mit Sprachkursen fördern. »Wir erwarten aber auch Akzeptanz für unsere Werte und Gesetze«, betonte Heilmann (CDU). Zudem soll der Lehrstuhl für Islamische Theologie nach Berlin geholt werden, um den Unterricht in allen Glaubensrichtungen unter staatliche Aufsicht stellen zu können.

Zu den zuvor präsentierten Koalitionsplänen im Bereich Inneres äußerte sich am Dienstag Berlins amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers. Teile der Innenpolitik der geplanten rot-schwarzen Koalition seien eine »Rolle rückwärts«. Die von der CDU verlangte Rücknahme der Kennzeichnungspflicht für Polizisten bezeichnete sie als Rückschritt. »Das wäre eine Rolle rückwärts zu allem, was der frühere Polizeipräsident Herr Glietsch und ich bisher für richtig befunden haben«, sagte Koppers der »taz«.

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