Rücktritt nach 14 Jahren

Mainzer OB will seiner Abwahl zuvorkommen

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 2 Min.
Der massiv in die Kritik geratene Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) hat seinen Rücktritt zum 1. Januar erklärt. Mit Rücksicht auf seine Familie und die politische Gestaltungsfähigkeit in der Stadt sei er zum Schluss gekommen, dass ihm eine weitere Arbeit an der Stadtspitze nicht länger möglich sei, teilte Beutel in einer schriftlichen Erklärung mit.

Zuletzt blieb dem gewieften Schachspieler nur noch ein Ausweg: der Rückzug in den Ruhestand zum Jahreswechsel. Der Druck auf den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD), so hieß es gestern in Mainz, sei zu groß geworden, selbst in der eigenen Partei nahm die Kritik an Schärfe zu.

Die Grünen - in Mainz regiert eine Ampel-Koalition - hatten nach einer Sondersitzung am Wochenende den Oberbürgermeister ultimativ zum Rückzug noch vor der Ratssitzung am morgigen Mittwoch aufgefordert. »Wir erwarten, dass vor der Stadtratssitzung Klarheit herrscht«, erklärten Fraktionssprecher Ansgar Helm-Becker und Vorstandssprecherin Katharina Binz.

Wie es hieß, erörterte Beutel persönlich mit den Grünen die Bedingungen seines Rückzugs. Zuvor hatte sich der OB nach der anhaltenden Kritik wegen einer von ihm nicht bezahlten Weinrechnung auf einer Reise nach Ruanda entschuldigt. Zugleich kündigte er an, über die erfolgte Erstattung der Rechnung hinaus einen Betrag von 1000 Euro an die Mainzer Hilfsorganisation »Human Help Network« zu spenden. Die offene Rechnung hatte zunächst Innenminister Roger Lewentz (SPD) übernommen. Beutel ergänzte in einer Erklärung: »Um der zu erwartenden Presseerklärung der CDU und anderer Pharisäer unmittelbar vorzubeugen, möchte ich deutlich sagen, dass ich mich damit nicht etwa freikaufen will, sondern uneingeschränkt zu diesem persönlichen Fehlverhalten stehe.« Gleichwohl kündigte die CDU an, eine Initiative für ein Abwahlverfahren zu starten. Aus Sicht der Vorsitzenden der CDU-Stadtratsfraktion, Andrea Litzenburger, sei Beutel als Oberbürgermeister der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt nicht mehr tragbar.

Seine Kritiker werfen Beutel vor allem vor, als Aufsichtsratsvorsitzender der Wohnbau GmbH versagt zu haben. Im Jahr 2004 reiste er nach Capri. Die Kosten der aufwendigen Reise übernahmen die Stadtwerke. Das Mainzer Amtsgericht sah darin einen Fall von Untreue und erteilte Beutel einen Strafbefehl. Schon damals hatte die CDU im Stadtrat ein Abwahlverfahren in die Wege leiten wollen, war aber bei SPD, FDP und Grünen abgeblitzt.

Laut Gemeindeordnung muss die Direktwahl eines neuen Oberbürgermeisters binnen drei Monaten nach dem Rücktritt erfolgen. Bis dahin führt Beutels Stellvertreter, Bürgermeister Günter Beck (Grüne), die Amtsgeschäfte.

Leider sei Jens Beutel kaum noch für ein offenes Wort zugänglich gewesen, bedauerte der frühere Mainzer SPD-Vorsitzende Klaus Hammer. Ihn treffe es besonders hart als Mensch, »der stolz darauf ist, dass alle Mainzer Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg Sozialdemokraten waren«. Die reguläre Amtszeit wäre erst im Mai 2013 zu Ende gegangen. Beutel ist seit 1997 Oberbürgermeister von Mainz.

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