Bedürftige auf der Promiliste

In Sachsen wollen Kulturlogen Theaterkarten meist kostenlos anbieten

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Menschen mit zu wenig Geld geben es oft nicht für Theaterkarten aus. Darum, dass sie dennoch Kultur genießen können, bemühen sich mancherorts sogenannte Kulturlogen. Bald sollen auch zwei in Sachsen gegründet werden.

Lebensmittel, Telefon und Fahrgeld gehen vor: Wer über wenig Geld verfügt, kann sich oft keine Eintrittskarten für Theater, Kabarett oder Lesungen leisten. Zwar versuchen manche Häuser, auch Beziehern von Hartz IV den Besuch ihrer Vorstellungen zu ermöglichen: Sie geben Tickets zu eher symbolischen Preisen ab. Allerdings müssen sich die Bedürftigen dafür an der Kasse ausweisen - was nicht wenige scheuen.

Eine Idee aus Marburg

Diese und andere Hürden wollen Einrichtungen abbauen, die es inzwischen in sieben Städten Deutschlands gibt: Kulturlogen. Sie vermitteln Tickets, die kostenlos von Kulturinrichtungen zur Verfügung gestellt werden, an Bedürftige. Ein wenig ähnelt das Prinzip dem der Tafeln, die von Händlern nicht verkaufte Lebensmittel gespendet bekommen und an Arme abgeben.

Entstanden ist die Idee vor drei Jahren in Marburg. Seither zieht sie Kreise - auch in Sachsen. Dort sollen Kulturlogen in Leipzig und Dresden gegründet werden. In Leipzig trifft sich heute eine Gründungsinitiative, der unter anderem die Leipziger Tafel, das soziokulturelle Zentrum Villa und der Kulturbahnhof angehören.

Als Gäste registriert

Die Dresdner Initiatoren, die mit den Vorbereitungen schon weiter sind, rechnen mit einer Gründung im Frühjahr 2012. Sie haben im Oktober auch am ersten bundesweiten Treffen in Berlin teilgenommen, bei dem die Gründung einer Bundes-Arbeitsgemeinschaft vorbereitet und einheitliche Leitlinien der Logen beschlossen wurden. Zu diesen gehört, dass Eintrittskarten ausschließlich an Menschen mit geringem Einkommen abgegeben werden - und zwar in der Regel kostenlos.

Interessenten lassen sich bei der Loge als »Gäste« registrieren. Dass sie Anspruch auf Unterstützung haben, können soziale Träger bescheinigen, mit denen sie ohnehin Kontakt haben, etwa Tafeln oder Sozialvereine. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Loge wiederum bieten ihnen kurzfristig telefonisch Karten an, die kulturelle Einrichtungen abgegeben haben, weil sie etwa nicht verkauft werden konnten. Das Prinzip hat für alle Seiten Vorteile, glaubt die sächsische Linksparteiabgeordnete Heike Werner, Mitinitiatorin der Loge in Leipzig. Menschen, die zuvor nur noch selten Theater besuchten und von sich aus nicht nach preiswerten Angeboten gesucht hätten, kommen wieder mit Kultur in Kontakt.

Auch die Theaterhäuser haben einen Nutzen: »Wer nicht nur den Anspruch hat, Kultur für Eliten zu bieten, kann sich so ein breiteres Publikum erschließen.« Zudem hätten Befragungen in Berlin ergeben, dass manche Gäste später auch hin und wieder Karten gekauft hätten: »Sie haben dann doch Geld dafür zusammengespart«, sagt Werner.

Ohne Ausweiszwang

Wie viele Häuser sich in Leipzig und dem Umland an der Kulturloge beteiligen, ist noch offen, ebenso wie die Frage, ob dazu auch große städtische Theater gehören. Dort verweist man bisher auf den »Leipzig-Pass« für Bedürftige. Allerdings hat die Berliner Befragung ergeben, dass der Zwang, sich an der Theaterkasse auszuweisen, ein großes Hindernis ist: Drei Viertel der Gäste fühlten sich dadurch zuvor abgeschreckt.

Die Kulturloge löst das Problem auf eine elegante Weise: Wer von ihr Karten erhält, wird kurzerhand auf eine Liste gesetzt - so wie sonst Prominente oder Theaterkritiker.

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