Bauindustrie zwiegespalten

Branche hat die Krise gut überstanden / Sorgenvoller Blick auf explodierende Mieten

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bauindustrie der Region müsste eigentlich erwartungsfroh in die Zukunft schauen. Mit der Verlängerung der A 100 wie der U 5, diversen anderen Straßenbauprojekten und der Ankurbelung des Wohnungsbaus dürften jedenfalls genügend Projekte für volle Auftragsbücher sorgen. Man begrüße auch, dass der neue Senat endlich mehr in den Erhalt und in den Ausbau der Infrastruktur investieren will, aber ein Koalitionsvertrag sei »zuerst einmal eine Absichtserklärung«, so Marcus Becker, Präsident des Bauindustrieverbandes.

Auch die Industrie sehe mit Sorge, dass die Mieten in Berlin explodieren, sagte Becker. Der Senat habe zwar das Problem erkannt, aber offenbar noch keine Vorstellungen, wie bezahlbarer Wohnraum zu schaffen sei. Beim Neubau entstehen eben Mietkosten von etwa zehn Euro pro Quadratmeter, und durch die vom Senat beabsichtigte günstige Abgabe landeseigener Grundstücke werde es allenfalls »Richtung sieben Euro« gehen. Der Verband spricht sich deshalb dafür aus, mehr in vorhandene Bausubstanz zu investieren und Neubaustandards zu senken. »Und irgendwie wird man auch Geld in die Hand nehmen müssen«, glaubt Hauptgeschäftsführer Axel Wunschel. Eine Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus alter Prägung will allerdings auch der Bauverband nicht.

Insgesamt sei die Bauwirtschaft angesichts der finanzpolitischen Turbulenzen unerwartet krisenfest durch das vergangenen Jahr gekommen, bilanzierte der Vizepräsident des Verbandes, Wolfgang Frey. Zwar sei das Gesamtbild der Branche zwiespältig, aber die Ergebnisse bis Ende September lägen über den Erwartungen zu Jahresbeginn. So wird zum Jahresende mit einem kräftigen Umsatzplus von zehn Prozent auf 5,9 Milliarden Euro gerechnet. Das Bauhauptgewerbe beschäftigte im Schnitt 35 000 gewerbliche Arbeitnehmer, 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Wachstum wurde vor allem vom Wohnungsbau getrieben, der um fast ein Viertel zulegt. Anleger suchten ihr Heil verstärkt in Immobilien, die Becker das »graue Gold« nannte. Dagegen sei das Jahr für Firmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur »äußerst miserabel« verlaufen.

Mit etwa 2,5 Prozent werde der Wohnungsbau auch im nächsten Jahr wachsen und ein Volumen von 2,03 Milliarden Euro erreichen, so die Verbandschefs. Ansonsten erwarten sie aber eher eine negative Entwicklung, da sich die Bauwirtschaft auf Dauer nicht von der Finanzkrise abkoppeln könne. »Wir gehen davon aus, dass das Jahr 2012 für die Bauindustrie ruppiger werden wird.« Beim Umsatz wird mit einem Rückgang von etwa 2,5 Prozent gerechnet, weil sich Unternehmen und die öffentliche Hand mit Investitionen zurückhalten. Das wird nach Beckers Worten auch auf die Beschäftigtenzahl drücken. Sie geht demnach im nächsten Jahr um 1,1 Prozent auf 34 700 zurück.

Der Wirtschaftsbau - in diesem Jahr noch mit 8,3 Prozent im Plus - werde deutlich ins Minus drehen und 8,1 Prozent weniger Umsatz bringen. Der öffentliche Bau schrumpft nach Erwartung des Verbandes geringfügig, was vor allem auf das Konto Brandenburgs geht. In Berlin wird dagegen ein Umsatzplus von knapp sieben Prozent erwartet. Der Verband lobt insbesondere, dass das »Schlaglochprogramm« in den Bezirken fortgesetzt wird, mahnte allerdings erneut an, nicht nur an den Symptomen herumzudoktern, sondern die Ursachen für den schlechten Straßenzustand zu beseitigen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal