Schwarz-Rot unter Druck

Arbeitgeber wollen das versprochene neue Vergabegesetz für Sachsen-Anhalt verhindern

  • Rochus Görgen, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Es geht oft um zig Millionen Euro: Sachsen-Anhalts SPD hatte in ihrem Programm zur Wahl 2011 versprochen, bei Aufträgen des Landes stärker auf die Einhaltung von sozialen Standards zu achten. Doch die Wirtschaft sperrt sich. Man wolle den Verwaltungsaufwand reduzieren, sagt der Arbeitgeberpräsident.

Magdeburg. Im Streit um das geplante Vergabegesetz hat Sachsen-Anhalts Regierungskoalition aus CDU und SPD ihren Entwurf gegen Lohndumping am Freitag verteidigt. Auch die Unternehmen hätten ein großes Interesse, dass das Land bei der Auftragsvergabe auf die Qualität achte, sagte Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) bei der ersten Behandlung des neuen Gesetzes im Landtag. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Andreas Steppuhn, erklärte: »Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf löst die SPD eines ihrer wichtigsten Versprechen an Sachsen-Anhalts Bürgerinnen und Bürgern ein.« Aufträge würden künftig nur noch an tariftreue Firmen gehen.

In der Wirtschaft stößt das geplante Gesetz auf Kritik. »Uns geht es vor allem um eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands«, sagte der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalts, Klemens Gutmann, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. »Die alte Regelung war weitgehend in Ordnung«, so Gutmann und appellierte an die Abgeordneten: »Ändert Gesetze nur dort, wo es notwendig ist.« Die Gewerkschaften hatten zuvor bereits kritisiert, im neuen Gesetz fehle ein klarer Mindestlohn von 8,50 Euro.

Streit in der Koalition

Die oppositionelle LINKE legte einen eigenen Gesetzentwurf vor, der ein verbindliches Mindestentgelt enthält. »Seit Jahren herrscht bei der Vergabe im Landesrecht ein Regelungsvakuum«, sagte der LINKEN-Abgeordnete Frank Thiel. Er erinnerte daran, dass ein 2001 verabschiedetes Vergabegesetz nur ein Jahr später von der damals neu gebildeten CDU/FDP-Regierung aufgehoben worden sei.

Sachsen-Anhalt sei damit eines der wenigen Bundesländer, die kein Vergabegesetz hätten, so Thiel. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro sei notwendig, weil immer mehr Menschen von ihrem Verdienst nicht leben könnten. »Für viele Menschen ist das eine Frage des Überlebens«, meinte auch der LINKEN-Politiker Guido Henke. Das Vergabegesetz hatte die schwarz-rote Koalition in Sachsen-Anhalt Ende November vor eine Zerreißprobe gestellt. SPD-Chefin Katrin Budde warf ihrem Koalitionspartner auf einem Parteitag vor, das Gesetz nur herauszögern zu wollen.

Ultimativ drohte Budde mit dem Ende der Koalition, wenn das im Regierungsprogramm vereinbarte Vorhaben nicht zügig umgesetzt werde. Eine Arbeitsgruppe, die nach Einschaltung von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gebildet worden war, arbeitete dann innerhalb kurzer Zeit den Gesetzentwurf aus, der aber keinen festen Mindestlohn mehr nennt.

Arbeitgeber-Präsident Gutmann betonte, nach EU-Recht dürften bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen keine sach- und vergabefremden Dinge den Ausschlag geben. Für die Einhaltung von sozialen Mindeststandards seien andere und allgemein gültige Gesetze zuständig. Diese Aspekte auch in ein Vergabegesetz aufzunehmen und jeweils zu kontrollieren, schaffe nur zusätzliche Bürokratie.

Nach Angaben von Gutmann ist vor allem das Bau-, Reinigungs- und Bewachungsgewerbe von dem Gesetz betroffen. Diese Bereiche hätten aber schon eigene Regelungen oder stünden kurz davor. Der Verbandschef erwartet derzeit allerdings keine Klagen von Firmen gegen das neue Vergabegesetz. »Das ist ein weiter Weg.« Die Regierungsfraktionen planen vor der Verabschiedung noch eine Anhörung, um Argumente von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Experten zu hören.

Ebenfalls am Freitag hat der Landtag den Weg für eine größere Parlamentarische Kontrollkommission zur Überwachung des Verfassungsschutzes frei gemacht. Künftig solle das Gremium fünf statt vier Mitglieder haben, heißt es in dem mehrheitlich angenommenen Gesetzentwurf von CDU, SPD und Grünen. Die Politiker wollen es damit ermöglichen, dass bei der Neuwahl des Gremiums Anfang kommenden Jahres auch die neu in den Landtag eingezogenen Grünen einen Platz bekommen können.

LINKEN-Antrag abgelehnt

Die LINKEN hatten erfolglos einen eigenen Antrag eingebracht, wonach von den fünf Sitzen mindestens zwei an die Opposition gehen sollten, davon einer an die größte Oppositionsfraktion. Das sind derzeit die LINKEN selbst. Abgeordnete von CDU und SPD machten aber klar, dass sie das ablehnen.

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