Zu groß, zu schwerfällig, zu Dino

Gewerkschafter legen »Alternativszenario« für E.on vor

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Atommausstieg will der Energieriese E.on allein in Deutschland 6500 Arbeitsplätze abbauen. Ver.di-Gewerkschafter legten nun ein »Alternativszenario zur E.on Strategie 2.0« vor.

Man mag die schwarz-rot-grün-gelbe Energiewende als wenig ambitioniert und noch weniger schlüssig verspotten: Die Verlängerung des Atomausstieges wurde verkürzt, doch gleichzeitig wird der Solarboom abgewürgt. Derweil werden immer mehr klimaschädliche Kohlekraftwerke und, gelegentlich, etwas klimafreundlichere Gaskraftwerke geplant.

Doch für die großen Energiekonzerne, die allzu lange und allzu forsch in nicht erneuerbare Energie investierten, geht es nicht nur an die Portokasse. Die Zeche für die über Jahrzehnte verfolgten kritikablen Geschäftsmodelle nebst milliardenschwerer Fehlinvestitionen zahlen insbesondere die Beschäftigten. E.on beispielsweise, Deutschlands größter Atomverstromer, will 11 000 seiner weltweit 80 000 Arbeitsplätze abbauen. 6500 davon in Deutschland. Auch wollen die Düsseldorfer künftig eher auf ausländischen Märkten ihren Gewinn erwirtschaften, was die Beschäftigungssituation in Deutschland nicht verbessert.

Nun gehen die Arbeitnehmervertreter im Konzern-Aufsichtsrat in die Offensive: In diesen Tagen haben sie ein »Alternativszenario zur E.on Strategie 2.0« vorgelegt. Statt auf Arbeitsplatzabbau solle die Konzernspitze lieber auf »wertschaffende und beschäftigungswirksame Investitionen« setzen, so die der Gewerkschaft ver.di angehörenden Aufsichtsräte. Ihr erklärtes Ziel: »Arbeit und Wachstum in Deutschland«.

In der Energiewende entdecken die Gewerkschafter erhebliche Belastungen und Risiken für E.on, aber auch Chancen für den letzten rein privaten Energieriesen Deutschlands. Zwar sei auf Jahrzehnte hin der weitere Betrieb von Atom- und Kohlekraftwerken notwendig. Doch künftig solle E.on eher nach dem Prinzip »Small is beautiful« (»Klein ist schön«) verfahren. »Die Struktur und Breite von E.on bieten dem Konzern die Möglichkeit, sich als integrierter Systemdienstleister für dezentrale, kundennahe Erzeugungsanlagen aufzustellen«, heißt es im Papier.

Aber warum sollte ausgerechnet ein zentralistischer Großkonzern, der bisher auf Atom und Kohle setzte, besonders geeignet sein, dezentrale, kleinteilige Energiestrukturen auf Basis von Sonne, Wind und Wasser zu etablieren? Ist das nicht so, als wolle man den Papst zum Propagandisten für Atheismus machen? Nein, sagt Sven Bergelin, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Energie und Bergbau und E.on-Aufsichtsrat. »Als Großkonzern verfügt E.on über bundesweite Strukturen, hat sechs Millionen Endenergiekunden und eine hoch qualifizierte Belegschaft mit dem entsprechenden Know-how«, sagt er. Kurz: »E.on könnte also attraktive Dienstleistungen in der Breite anbieten.«

Bereits entwickelte und teils praktizierte Dienstleistungskonzepte sollen von E.on aufgegriffen werden. Dabei wären andere Akteure wohl besser geeignet, um beispielsweise Bürger in Sachen Energiesparen zu beraten oder im Rahmen von Contracting-Modellen energieeffiziente Geräte zu finanzieren. Diese Dienstleistungen hätten nämlich einen geringeren Stromverbrauch zur Folge. Und daran kann ein (profitorientierter) Stromlieferant nur ein geringes Interesse haben.

Kritisch gegenüber der Kohleverstromung sind die Ver.dianer nicht. Die Pläne für die Kraftwerksneubauten Datteln 4 und Staudinger 6 seien »unverzüglich umzusetzen«, fordern sie. E.on dürfe sie »nicht von sich aus hinauszögern oder gar in Frage stellen«. Das muss der Konzern tatsächlich nicht selber tun: Gerichte kassierten die Baugenehmigung für den »Schwarzbau« Datteln 4 ein. Bei Staudinger 6 stieg unlängst der Co-Investor aus - die Stadtwerke Hannover finden es zu riskant, 300 Millionen Euro für das umstrittene Bauvorhaben auszugeben.

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