Hollande mit »dürftigen Ideen«

Frankreich: Botschaft des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf zwei ganzen Seiten der Zeitung »Libération« konnte der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande in dieser Woche einen Brief veröffentlichen.

Den Brief hatte Hollande zum Jahreswechsel an die sozialistischen und die anderen linken Teilnehmer der Urabstimmung geschickt, die ihn unter sechs Anwärtern zum linken Herausforderer des amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy bestimmt hatten.

Die Titelseite gibt auf rotem Grund Hollandes Motto vor: Der Wechsel steht unmittelbar bevor! Außerdem wird in großen Lettern die programmatische Einleitung des Textes wiedergegeben: »Ich bin Präsidentschaftskandidat, um Frankreich die seit Jahren verlorene Hoffnung zurückzugeben. Die Franzosen leiden in ihrem tagtäglichen Leben.« Dann werden die wichtigsten Gründe aufgezählt: hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Wirtschaftswachstum, steigende Preise und Steuern, schwindende Kaufkraft, um sich greifende Unsicherheit, geschlossene oder ins Ausland verlegte Betriebe, Angriffe auf das Bildungs- und Gesundheitswesen, die nicht mehr die Gleichheit unter den Bürgern gewährleisten können, fehlende Zukunftsaussichten für die Kinder und eine Jugend, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird.

Die Franzosen leiden Hollande zufolge aber auch daran, dass die Werte der Republik mit Füßen getreten werden und ihre Institutionen immer schlechter funktionieren, an den Angriffen auf den Sozialpakt und am Schwinden des Ansehens Frankreichs in der Welt. »Sie sehen mit Zorn, wie Frankreich erniedrigt, geschwächt, beschädigt und degradiert wird«, folgert der PS-Kandidat in Anspielung auf die drohende Abwertung der AAA-Note des Landes auf den Finanzmärkten.

Der Text ist griffig und lesbar, aber wer über die Kritik an der Bilanz des rechten Präsidenten und allgemeinen Absichten seines linken Herausforderers hinaus konkrete Vorhaben und Ziele sucht, wird enttäuscht. Das ist auch den rechten Stimmungsmachern mit UMP-Parteichef Jean-François Copé an der Spitze nicht entgangen. In allen erreichbaren Medien höhnen sie über die »dürftigen Ideen eines blassen Kandidaten«.

Da hilft es auch nicht viel, dass der wahrlich nicht gerade charismatische François Hollande für Ende des Monats ein ausführliches und mit konkreten Zahlen gespicktes Wahlkampfprogramm ankündigt. Der durch die öffentliche Polemik angerichtete Schaden ist erst einmal da und lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass die Zahl der Franzosen, die Umfragen zufolge auf ihn als den nächsten Präsidenten setzen, von 50 Prozent Ende Oktober auf 45 Prozent zum Jahresauftakt gesunken ist.

Die Absicht der Rechten ist durchsichtig: Bevor Sarkozy überhaupt seine Kandidatur erklärt hat, was frühestens für Ende Februar zu erwarten ist, soll sein sozialistischer Gegenspieler schon durch ein polemisches Trommelfeuer von Politikern der Regierungspartei UMP aus der Reserve gelockt, herausgefordert, in Widersprüche verwickelt, zermürbt und letztlich demontiert werden.

Damit will man nicht zuletzt von der dürftigen Bilanz des noch amtierenden Präsidenten und seinen vielen unerfüllten Versprechungen aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2007 ablenken.

Ob das Sarkozys Wiederwahlchancen aufbessert, die Umfragen zufolge nicht besonders gut stehen, bleibt abzuwarten. Doch auch von nicht wenigen Kräften innerhalb der Sozialistischen Partei und vor allem links von ihr wird Hollande kritisiert, weil er schon jetzt in der Vorphase des Präsidentschaftswahlkampfes viele in ihn gesetzte Hoffnungen enttäuscht hat. Um den linken Herausforderer des rechten Präsidenten nicht zu schwächen, spricht man das aber nur selten öffentlich und auch dann oft nur in Andeutungen aus.

So betont FKP-Chef Pierre Laurent, der Brief Hollandes zeige, »wie nötig es ist, mit einem offensiven Kandidaten der Linksfront aus Kommunistischer Partei und Partei der Linken in diese Wahl zu gehen«. Dieser Kandidat - Jean-Luc Mélenchon - äußerte sich nicht, aber sein Wahlkampfdirektor François Delapierre nannte den Hollande-Text »banal« und die Grünen-Parteivorsitzende Cécile Duflot erklärte, sie sei »frustriert« über den Mangel an konkreten Vorschlägen.

Die Neue Antikapitalistische Partei sieht sich in ihrer Grundposition bestärkt, mit den Sozialisten, die sich von der bürgerlichen Rechten kaum noch unterscheiden und nicht mit ihr brechen wollen, jegliche Zusammenarbeit oder gar die Mitwirkung an einer Linksregierung unter ihnen abzulehnen.

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