CDU und SPD lassen vorerst voneinander

Neuwahl im Saarland unter ungewöhnlich harmonischen Vorzeichen

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Flitterwochen abgebrochen, Neuauflage aber in Aussicht gestellt. So stellt sich die Entscheidung von CDU und SPD im Saarland für Neuwahlen dar. Nicht nur für die Opposition.

»Realsatire« war das erste Wort, das Christoph Hartmann (FDP) am Donnerstagabend dazu einfiel, was wenige Minuten zuvor über die Medien gelaufen war. Am Vortag hatte er seine Entlassungsurkunde als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) entgegennehmen müssen. Jetzt erklärte seine Ex-Chefin das Scheitern der großkoalitionären Sondierungen, verkündete Neuwahlen und stellte gleich klar, dass »die Große Koalition für dieses Land für die nächsten Jahre die einzig richtige Konstellation ist«.

Auch Hartmanns Ex-Regierungspartner, Grünen-Landeschef Hubert Ulrich, findet das Ganze »äußerst grenzwertig«. Die Wähler nur zur Entscheidung aufzufordern, wer künftig Ministerpräsident und wer Juniorpartner wird, findet er »schon dreist«. Den beiden großen Parteien gehe es nicht um Inhalte, sondern nur »um die Verteilung von Pfründen«.

SPD-Vorstand: Stolz auf Heiko Maas

Als die beiden geschassten Ex-Regierungspartner ihre Sicht der Dinge darlegten, war SPD-Chef Heiko Maas längst aus den Landtagsfluren in die Congresshalle geeilt, wo die Genossen seit zwei Stunden auf das Ergebnis des Vier-Augen-Treffens mit Kramp-Karrenbauer gewartet hatten. Seit dem ersten Sondierungstreffen vier Tage zuvor war deren Wunsch nach sofortigen Neuwahlen spürbar gewachsen. Die haben sie jetzt, und auch gleich den Spitzenkandidaten dazu. Der Vorstand wählte Maas einstimmig. »Wir sind so stolz auf ihn«, sagte ein Vorstandsmitglied, um sich gleich wieder mit Genossen über Strategien in einem Karnevals-Wahlkampf zu besprechen. »Jamaika«-Motivwagen wie im letzten Jahr sind jetzt out.

Tatsächlich wird ein Wahlkampf unter diesen Vorzeichen zum Dilemma insbesondere für die Parteien, die gerade die Planungen für mögliche Flitterwochen abgebrochen, aber Wiederaufnahme in Aussicht gestellt haben.

Bei den »vielen Gemeinsamkeiten«, die sie in mehr als 15 Stunden Sondierung festgestellt haben, bleibt wenig Raum für inhaltliche Auseinandersetzung. Der Wahlkampf dürfte nach der Methode ablaufen, nach der sich auch Igel lieben: sehr behutsam und vorsichtig. Und letztlich läuft damit alles auf eine reine Ministerpräsidentenwahl hinaus. Maas, der sich als »der neue Mann« im Wahlkampf 2009 empfohlen hatte, hat sein Image als Verlierer und Zögerer mit seiner überraschenden Gegenkandidatur bei der Ministerpräsidentenwahl im vergangenen August korrigieren können. Außerdem dürfte er die volle Unterstützung seiner Partei haben, die mehrheitlich Neuwahlen wollte und ihm hoch anrechnet, wie intensiv er die Partei in die Entwicklung seit dem »Jamaika«-Ende einbezogen hat.

Kramp-Karrenbauer hat wiederum mit ihrem riskanten Bruch der Koalition nicht nur in den Augen ihrer Partei, sondern auch in Teilen der Bevölkerung Führungsstärke gezeigt. Die CDU war erleichtert, die ungeliebten Grünen los zu sein. Und mit dem Scheitern der Sondierung mag die Regierungschefin der CDU-Basis signalisiert haben, dass die Parteispitze nicht noch einmal dem Machterhalt zuliebe reihenweise Grundsätze über Bord werfen will.

Lafontaine setzt weiter auf Rot-Rot

Trotz aller CDU-SPD-Absichtserklärungen fordert LINKE-Fraktionschef Oskar Lafontaine jetzt erst recht den Politikwechsel im Saarland, den die Grünen vor etwas mehr als zwei Jahren verhindert haben. Rot-Rot bleibt aus seiner Sicht dazu die einzig richtige Option. Zwar hatte Maas diese Möglichkeit wegen der unterschiedlichen Auffassungen zur Schuldenbremse abgelehnt. Deren Einhaltung ließe sich über den Bundesrat mit Initiativen zur Besteuerung großer Vermögen, großer Erbschaften und hoher Einkommen erreichen, hielt Lafontaine ihm entgegen. Insofern forderte er von der SPD, die »voreilige Festlegung auf eine Große Koalition aufzugeben«.

Der parlamentarische Geschäftsführer und Bundes-Vize der LINKEN Heinz Bierbaum zeigte sich zuversichtlich, was die Erfolgsaussichten der eigenen Partei angeht: »Wir können Wahlkampf«. Die Aussicht auf eine Große Koalition könne außerdem helfen, die eigenen Wähler zusätzlich zu motivieren.

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