Steuerprüfer in Halles Rathaus

LINKE schickt Stadtchef in OB-Wahlkampf

  • Hendrik Lasch, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.
In Halle wird am 17. Juni ein neuer Rathauschef gewählt. Die LINKE möchte, dass ein Finanzexperten die Geschicke der hoch verschuldeten größten Stadt Sachsen-Anhalts lenkt.

Mit einem »nicht unbedingt erwarteten Kandidaten« werde die LINKE in das Rennen um den OB-Posten in Halle gehen. Das hatte deren Stadtchef Swen Knöchel im Dezember in Aussicht gestellt. Jetzt steht fest, wer der etwas überraschende Bewerber ist: er selbst. Der erst 39 Jahre alte Landtagsabgeordnete wurde vom Stadtvorstand aufgestellt und soll am 8. Februar auf einem Parteitag offiziell gekürt werden. Den Grund formuliert Bodo Meerheim, Chef der Ratsfraktion und selbst hoch gehandelter Anwärter auf die Kandidatur, kurz und knapp: »Er ist unser Bester.«

Das dürfte vor allem gelten, weil absehbar ist, dass auch dem Nachfolger der 2007 gewählten SPD-Frau Dagmar Szabados ein grundlegendes Problem erhalten bleibt: das des fehlenden Geldes. Halle hat 254 Millionen Euro Schulden, ein permanentes Defizit und derzeit keinen genehmigten Haushalt. Angesichts dessen sind fortgeschrittene Finanzkenntnisse für jeden Bewerber sehr von Vorteil. Knöchel kann sie vorweisen: Er hat in einem Finanzamt gelernt, war vor dem Landtagseinzug 18 Jahre lang Beamter, hat unter anderem als Steuerprüfer gearbeitet und erst 2011 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in Königs Wusterhausen abgeschlossen.

Derzeit versucht die Amtsinhaberin, die finanzielle Misere mit dem Rasenmäher zu bekämpfen; Vereine etwa bekommen nur 80 Prozent der ihnen zustehenden Zuschüsse ausgezahlt. Von einem solchen Vorgehen hält Knöchel nichts: »Nur den Stift anzusetzen, ist ein Schnellschuss.« Für notwendig erachte er vielmehr eine Prüfung, welche Aufgaben die Stadt künftig erledigen soll und welche andere für sie übernehmen sollen. Das müsse finanziert, an anderer Stelle aber auch gespart werden. »Halle muss seinen Haushalt in Ordnung bringen«, betont Knöchel.

Das sei auch Voraussetzung, um beim Land auf angemessene Zuschüsse zu drängen - und zwar mit Nachdruck. Die Großstädte Sachsen-Anhalts klagen seit Jahren über eine ungenügende Finanzausstattung. Knöchel betont, die Zuweisungen aus Magdeburg seien »kein Gnadenakt«; der Bedarf der Stadt müsse aber exakt beziffert werden - und zwar »gerichtsfest«. Wenig hält der LINKE-Bewerber davon, für die Aufbesserung des Stadtsäckels kommunale Unternehmen zu melken. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit: Mieter und Stromkunden dürften nicht allein für Ausgaben gerade stehen müssen, die der ganzen Stadt zugute kommen.

Mit der Aufstellung von Knöchel ist das - wie er es nennt - »Gesamtportfolio der Bewerber« weitgehend komplett. Die SPD, die Gespräche mit LINKEN und Grünen über eine gemeinsame Kandidatur hatte platzen lassen, schickt mit Kay Senius den Chef der Regionaldirektion für Arbeit ins Rennen; er soll nach Szabados und deren Vorgängerin Ingrid Häußler der dritte SPD-Rathauschef in Halle werden. Die CDU hat Bernhard Bönisch, langjähriger Fraktionschef im Stadtrat, aufgestellt. Auch Grüne, Piraten und Freie Wähler haben Kandidaten benannt; nur die in Halle eigentlich traditionell starke FDP verzichtet.

Die LINKE geht in die wichtigste Wahl im Land im Jahr 2012 mit einigen Hoffnungen; Halle ist eine ihrer Hochburgen in Sachsen-Anhalt, in der bei Bundes- und Landtagswahlen regelmäßig Direktmandate gewonnen werden. Bei OB-Wahlen kam man bisher allerdings nicht so recht zum Zuge; 2007 schaffte es Meerheim nicht einmal in die Stichwahl - obwohl er in der Stadt bekannt und um lockere Sprüche nicht verlegen ist.

Knöchel dürfte, auch wenn er seit 2007 Stadtchef der Partei ist, in Sachen Bekanntheit in Halle noch Reserven haben. Allerdings ist der Kandidat, der sich als »Allesleser« und Konzertgänger offenbart und es ansonsten einen »Glücksfall« nennt, Politik als Beruf ausüben zu können, auf Twitter und bei Facebook ausgesprochen aktiv - womöglich ein Vorteil im Wahlkampf. Zudem ist er, wie Genossen anmerken, noch nicht einmal 40. Soll heißen: Falls es 2012 doch nicht klappt, gibt es neue Gelegenheiten.

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